Effiziente grüne Transformation
Der deutschen Klimapolitik fehlt die große strategische Linie. Die Menschen werden sich nur dann für mehr Klimaschutz einsetzen und bereit sein, dafür finanzielle Opfer zu bringen, wenn die Lasten des Strukturwandels gerecht verteilt sind. Gerecht heißt, dass dort klimaschädliche Gase eingespart werden, wo es am kostengünstigsten ist. Ohne Märkte und die richtigen Preisanreize geht das nicht.
19. Juni 2024
In unseren Augen gibt es sechs entscheidende Punkte, die eine gute Klimapolitik ausmachen. Erstens, die entscheidende Instanz bei der grünen Transformation ist die Europäische Union. Maßnahmen, die nur innerhalb eines Staates wirken, sind ineffektiv und sogar kontraproduktiv. Deutschlands gegenwärtige Klimaziele sind ehrgeiziger als die der EU. EU-weit werden dadurch nicht weniger Treibhausgase ausgestoßen, aber die Anpassungslasten zuungunsten Deutschlands verteilt. Darum braucht es eine einheitliche Obergrenze für Treibhausgase auf der EU-Ebene.
Zweitens, diese Obergrenze bestimmt die Anzahl der CO2-Zertifikate. Die Menge der Zertifikate sollte mit der Zeit abnehmen, und dies sollte langfristig und transparent kommuniziert werden, damit Unternehmen und Haushalte planen können. Somit steigt zunächst der CO2-Preis. Haben alle Sektoren auf eine überwiegend CO2-freie Energieversorgung umgestellt, sinkt der Preis. Der Zertifikatehandel sollte europaweit und sektorübergreifend erfolgen, womit durch die von der EU-Kommission beschlossene Reform des Emissionshandels (EU-ETS II) ab dem Jahr 2027 zu rechnen ist. Verbote sind nicht hilfreich: Würde etwa der Verkehrssektor besonders viel CO2 reduzieren, weil Sonntagsfahrten untersagt wären, würde der dadurch niedrigere CO2-Preis Einsparungen oder Innovationen in anderen Bereichen ausbremsen.
Drittens müssen Klimazölle eingeführt werden. Handelspolitik und somit auch Zölle werden auf EU-Ebene entschieden. Da Klimazölle mit dem CO2-Preis korrespondieren müssen, müssen folglich auch die Klimaziele auf EU-Ebene festgelegt werden. Die Kommission hat beschlossen, Klimazölle ab 2026 einzuführen. Das bedeutet: Je größer der CO2-Fußabdruck eines Produkts, desto höher der Zoll. Selbst eine Klimapolitik auf EU-Ebene wirkt nur mit Klimazöllen effektiv auf den globalen Ausstoß von Treibhausgasen.
Viertens, Prognosen zeigen, dass der Stromverbrauch bis 2030 um rund 50% steigen wird. Die steigende Nachfrage können Windräder und Solarzellen nicht decken, zumal die Verstromung von Kohle beendet wird. Deutschland muss also mehr klimaneutralen Strom produzieren und dafür weitere Energiequellen erschließen. Aus Klimaperspektive sollte auch Atomkraft nicht völlig ausgeschlossen werden.
Aufgrund der Pfadabhängigkeit von Forschung sollte, fünftens, die Forschung und Entwicklung von Energieeffizienz und -innovationen stärker gefördert werden. Selbst unter optimistischen Annahmen wird sich der Ausstoß von Treibhausgasen wohl nicht auf null reduzieren lassen. Deshalb sollten Technologien, mit denen man Kohlendioxid aus der Atmosphäre holen kann, besonders beachtet werden.
Wie jeder Strukturwandel führt auch die grüne Transformation zu sozialen Härten. Diese Lasten sollten, sechstens, innerhalb des bestehenden Sozialsystems abgefedert werden. Dabei sollten staatliche Hilfen nur bedürftigen Haushalten zugutekommen und Subventionen, wenn überhaupt, nur an Unternehmen fließen, wenn die Anreize, CO2 einzusparen, gewahrt bleiben. Für den Erfolg der grünen Transformation braucht es diese sechs Punkte, nicht mehr und nicht weniger. Wir sind der Meinung, dass eine klare Kommunikation dieser Punkte durch den Staat nicht nur zu einer Minimierung der Anpassungslast bei der Transformation zu einer treibhausgasneutralen Wirtschaft, sondern auch zu einer deutlich besseren Akzeptanz der notwendigen Veränderungen bei Unternehmen und Haushalten führen würde.1
1 Die ausführliche Originalfassung dieses Kommentars erschien am 17. Juni 2024 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.