Kommentar: Föderalismusreform – eine historische Chance
Mit dem Außerkrafttreten des Finanzausgleichsgesetzes und des Solidarpaktes II zum Ende des Jahres 2019 ergibt sich die historische Chance, die Reibungsverluste im deutschen Finanzföderalismus zu verringern. Eine umfassende Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehung braucht allerdings einen gewissen zeitlichen Vorlauf, sodass entscheidende Verhandlungen wohl in den kommenden Monaten geführt werden.
30. April 2014
Reibungsverluste stiftet der aktuelle Länderfinanzausgleich, indem er schwerwiegende Fehlanreize für die Finanzpolitik der Länder setzt. So verbleibt beispielsweise nur ein sehr geringer Teil der Steuermehreinnahmen eines Landes, die auf eine intensive Pflege der Steuerbasis zurückzuführen sind, im Landeshaushalt. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn Landesregierungen eine nachhaltige Wirtschaftsförderung oder eine intensive Steuerprüfung nicht in den Mittelpunkt ihrer Politik stellen. Eine anreizverbessernde wesentliche Reduktion der Ausgleichsraten des Finanzausgleichs wird allerdings in den Reformverhandlungen wahrscheinlich nicht ernsthaft in Erwägung gezogen. Denn schon eine geringe Absenkung der Ausgleichsintensität könnte die finanzschwachen Länder erheblich treffen und dadurch den in der Schuldenbremse ab 2020 vorgeschriebenen flächendeckenden strukturellen Ausgleich der Landeshaushalte gefährden. Vor dem Hintergrund, dass die Schuldenbremse im deutschen Finanzföderalismus noch nicht etabliert ist, wird man darauf achten müssen, dass der auf den finanzschwachen Ländern liegende Konsolidierungsdruck unter realistischen Szenarien bewältigbar ist.
Nun ist eine verbesserte Anreizverträglichkeit des Finanzausgleichs unter Beibehaltung der hohen Ausgleichsraten nicht unbedingt ausgeschlossen, wenn die Bemessungsgrundlage des Zuweisungssystems und der finanzpolitische Verantwortungsbereich der Länder besser aufeinander abgestimmt werden, als das gegenwärtig in Deutschland der Fall ist. So sind die Länder zurzeit überwiegend für Maßnahmen, wie z. B. die Steuerprüfung, verantwortlich, welche einen indirekten, nicht messbaren Einfluss auf die Steuerbasis haben, während die Zuweisungen von den örtlichen Steuereinnahmen abhängen, die ein Produkt aus örtlicher Steuerkraft und den finanzpolitischen Initiativen der Länder sind. Bund und Länder haben in den Verhandlungen nun die historische Chance, neue Gestaltungsspielräume für den Finanzausgleich durch eine Erweiterung der Steuerautonomie auf Länderebene und eine Konditionierung des Zuweisungssystems an die örtliche Finanzkraft zu eröffnen.