Kommentar: Politische Kreditvergabe der Sparkassen
Theorien politischer Konjunkturzyklen gehen davon aus, dass Politiker in Wahljahren einer expansiven Steuerpolitik zuneigen, weil sie ein Interesse daran haben, ihre Popularität zu steigern, indem sie die wirtschaftlichen Bedingungen möglichst günstig erscheinen lassen.
18. Dezember 2015
Das IWH hat jetzt in einer Studie gezeigt, dass das auch auf deutsche Kommunalpolitiker zutrifft. Sie bedienen sich dabei ihres Einflusses auf die Sparkassen: In Jahren, in denen in Deutschland Kommunalwahlen stattfanden, erhöhten die Sparkassen ihre Unternehmenskredite nach Berechnungen des IWH im Durchschnitt um 7,6 Mio. Euro. Kredite, die in Wahljahren gewährt wurden, waren außerdem von geringerer Qualität und verringerten die Einnahmen der Sparkassen. Das wahlzyklische Kreditvergabeverhalten der Sparkassen deutet darauf hin, dass politische Erwägungen bei der Kreditvergabe in Wahljahren eine bedeutende Rolle spielen. Diese problematische Konstellation hat ihre Ursachen nicht zuletzt in der governance, also der Lenkungsstruktur der Sparkassen. Hier sind vor allem zwei Aspekte wichtig.
Zum einen gilt das so genannte Regionalprinzip: Es gehört zu den Aufgaben der Sparkassen, die Finanzierung kleiner und mittelständischer Unternehmen bereitzustellen, um Wirtschaft und Beschäftigung in ihrer Region zu fördern. Entsprechend sind sie gesetzlich auf die Kreditvergabe in ihrer Kommune (Stadtsparkasse) oder ihrem Kreis (Kreissparkasse) beschränkt. Gleichzeitig haben Kommunalpolitiker im Sparkassenverwaltungsrat und im Kreditausschuss prominente Positionen inne, Positionen, die es ihnen ermöglichen, Einfluss auf wichtige Kreditvergabeentscheidungen zu nehmen. So sind beispielsweise meist die Bürgermeister (bei Stadtsparkassen) oder Landräte (bei Kreissparkassen) Vorsitzende dieser Gremien. Das Regionalprinzip bei der Kreditvergabe, kombiniert mit dem Einfluss lokaler Politiker auf wichtige Kreditentscheidungen, begünstigt die Indienstnahme der Sparkassen für politische Zwecke.
Diese politische Einflussnahme hat einen negativen Effekt auf die Kapitalallokation, denn die in Wahljahren gewährten Kredite waren im Vergleich mit anderen Jahren von geringerer Qualität. Das lässt sich daran ablesen, dass in den Folgejahren die Kreditausfallrückstellungen der Sparkassen höher und die Zinseinnahmen niedriger waren als in dem Jahr vor einer Wahl. Da die politischen Ziele von Kommunalpolitikern kurzfristig und lokal begrenzt sind, entstehen für die Sparkassen außerdem Anreize, ineffiziente lokale Firmen zu lange am Markt zu halten.
Wenn politische Erwägungen Einfluss auf die Kreditvergabe haben, so verschlechtert dies aber nicht nur die Kapitalallokation, sondern verzerrt möglicherweise auch die lokalen Wahlergebnisse zugunsten der Amtsinhaber. Es scheint daher dringend geboten, die governance der Sparkassen, durch die diese politische Kreditvergabe erst ermöglicht wird, zu verbessern. Eine Lösung wäre zum Beispiel, wichtige Positionen wie den Vorsitz des Sparkassenverwaltungsrats und des Kreditausschusses mit unabhängigen Experten zu besetzen. Damit könnte in Zukunft eine politische Indienstnahme von Unternehmenskrediten verhindert werden.