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Nach der Finanzkrise wurden Ratingagenturen zunächst heftig für eine zu positive Bewertung der Risiken so genannter Subprime-Kredite kritisiertSeite 2
Anpassung an das langfristige Gleichgewicht erfolgt sehr langsam Auf einer Seite lesenAnpassung an das langfristige Gleichgewicht erfolgt sehr langsam
Dieser Anpassungsprozess erfolgt allerdings sehr langsam und nur in kleinen Schritten. Die hohe Persistenz der Ratings bewirkt, dass es nach einem Staatsausfall etwa zehn Jahre dauert, um ein Rating von B (hochspekulativ) zu erreichen. Jeweils weitere zehn Jahre sind im Schnitt nötig, um ein Rating von BB und BBB zu erreichen. Erst nach durchschnittlich 30 Jahren ist das Rating demnach wieder auf einem Niveau, das als „Investment Grade“ bezeichnet wird – ein Schwellenwert, der beispielsweise für Aufsichtsbehörden von Bedeutung ist. Bis zum Erreichen des langfristigen Gleichgewichts können weitere 50 Jahre vergehen. Dieser langsame Anpassungsprozess erklärt, warum viele Länder durch neue Schocks in der Bewegung zu diesem Gleichgewicht zurückgeworfen werden.
Herabstufungen unter das Niveau von B führen zu langandauernden Zinsaufschlägen
Dies zeigt sich auch in den kurzfristigen Anpassungen nach einer Herabstufung. Hierfür werden simulierte Zinsreaktionen über einen Zeitraum von zehn Jahren nach einem Rating-Schock mit dem normalen Anpassungsprozess in Richtung des Gleichgewichts verglichen. Dabei wird in Abbildung 2 nach dem neuen Niveau des Ratings nach der Herabstufung unterschieden. Für höhere Niveaus (mindestens B+) ist die Reaktion der Zinsen auf eine Herabstufung insignifikant. Erst bei Herabstufungen auf ein niedrigeres Niveau sind größere Zinsaufschläge festzustellen. Für eine Herabstufung auf B− sind die maximalen Aufschläge mit 5% dabei noch moderat. Allerdings ist der Unterschied zum normalen Anpassungspfad noch sechs Jahre nach der Herabstufung zu spüren. Bei Abwertungen auf noch niedrigere Niveaus steigen sowohl Höhe als auch Dauer der Aufschläge. Allerdings gilt selbst für diese Niveaus, dass die Zinsaufschläge mittelfristig wieder reduziert werden.
Euro-Länder erholen sich nach Abwertung wie im Modell vorhergesagt – griechische Abwärtsspirale nicht durch anfängliche Herabstufung erklärbar
Die niedrigen Ratings, die für eine starke Zinsreaktion erreicht werden müssen, erklären, warum der eingangs beschriebene Zyklus von Herabstufungen der Bonität und Zinserhöhungen höchst unwahrscheinlich ist. Als Beispiel seien die Abwertungen von Eurozonenländern während der Staatsschuldenkrise angeführt. Irland etwa war nach mehreren Herabstufungen im April 2011 auf ein Rating knapp über dem Investment-Grade-Schwellenwert abgesunken. Doch danach folgte keine weitere Verschlechterung hin zu einem Staatsausfall. Stattdessen sanken die Zinsen langsam wieder, und im Jahr 2014 folgten deutliche Aufwertungen. Diese Entwicklung deckt sich fast perfekt mit der durch das Modell vorhergesagten Reaktion. Ähnliche Resultate sind auch in allen anderen Eurozonenländern zu finden – mit Ausnahme Griechenlands. Dort kam es bis Juni 2010 zu Herabstufungen bis auf den Investment-Grade-Schwellenwert. Doch danach erholte sich Griechenland – anders als Irland – nicht wieder. Im Gegenteil, nach einer kurzen Phase der Stabilisierung waren ab November 2010 weiter fallende Ratings und explodierende Zinsen zu beobachten, bis im Juli 2011 nach einer Einbindung von privaten Investoren in das zweite Rettungspaket ein Zahlungsausfall festgestellt wurde. Diese Entwicklung lässt sich mit den üblichen Dynamiken von Zinsen und Ratings nicht erklären, vor allem nicht mit den ersten Herabstufungen bis zum Investment-Grade zwischen Oktober 2009 und Juni 2010. Stattdessen ist wohl die starke politische (parlamentarische und außerparlamentarische) Opposition gegen Reformen als Erklärung für die wachsende Sorge von Märkten und Ratingagenturen heranzuführen. Griechenland ist insofern von einer langen Reihe realer negativer Schocks getroffen worden, die das Land langsam in den Zahlungsausfall getrieben haben. Die einzelnen Entscheidungen von Ratingagenturen können hierfür nicht verantwortlich gemacht werden, wie sich an den Entwicklungen in vielen anderen Ländern nach vergleichbaren Schocks zeigt.