Politische Determinanten staatlicher Ausfallrisiken
Staatliche Zahlungsausfälle haben nicht selten politische Ursachen. Während ökonomische Rahmenbedingungen wie etwa Wirtschaftswachstum, Finanzstabilität oder globale Investorenstimmungen die Zahlungsfähigkeit eines Staates beeinflussen, wird die tatsächliche Rückzahlung von Staatsschulden letztendlich von der einheimischen Regierung entschieden. Die Zahlungswilligkeit einer Regierung spielt daher eine entscheidende Rolle für das Risiko eines staatlichen Zahlungsausfalls. In diesem Artikel wird der Einfluss politischer Faktoren auf das staatliche Ausfallrisiko für 27 Schwellen- und Entwicklungsländer im Zeitraum von 1996 bis 2009 untersucht. Die Auswertung von Anleihedaten zeigt, dass Investoren ein höheres Ausfallrisiko fürchten, falls ein Land politisch instabil ist oder von einer Rechts- bzw. Linkspartei regiert wird. Der Einfluss politischer Faktoren auf das staatliche Ausfallrisiko eines Landes sinkt mit dessen Grad an Demokratie und Integration in die Weltwirtschaft.
05. Juli 2017
Inhalt
Seite 1
Wie politische Faktoren staatliche Ausfallrisiken beeinflussen könnenSeite 2
Empirische Analyse: Investoren honorieren Regierungen der Mitte und politische StabilitätSeite 3
Ländergruppen unterscheiden sich hinsichtlich der Relevanz politischer Faktoren Auf einer Seite lesenWie politische Faktoren staatliche Ausfallrisiken beeinflussen können
Die europäische Finanzkrise hat schmerzlich bewusst gemacht, dass nicht nur Unternehmen und große Banken, sondern auch Staaten zahlungsunfähig werden können. Das Risiko eines Staatsbankrotts wird jedoch nicht allein von den ökonomischen Ursachen der Zahlungsunfähigkeit bestimmt. Letztlich ist es die politische Führung eines Landes, die entscheidet, ob und wann Schulden zurückgezahlt werden. Am Beispiel der 2015 gewählten Syriza-Regierung kann der politische Einfluss auf das Risiko eines staatlichen Zahlungsausfalls verdeutlicht werden. Abbildung 1 zeigt die Zinsaufschläge griechischer Staatsanleihen relativ zu deutschen Staatspapieren von Januar 2014 bis April 2015. Nachdem Griechenland infolge etlicher Rettungspakete bereits Reformfortschritte erreicht hatte und die Risikoaufschläge im Tief bis auf vier Prozentpunkte abgesunken waren, wurde am 25.01.2015 in einer vorgezogenen Parlamentswahl die Syriza-Partei stärkste Kraft. Seit Beginn der Spekulationen über eine vorgezogene Parlamentswahl im Oktober 2014 bis zur Bildung der von Syriza geführten Regierung Ende Januar 2015 stiegen die Risikoaufschläge auf griechische Staatsanleihen von sechs auf über zehn Prozentpunkte. Neben radikalen Forderungen nach einer Einstellung des Schuldendienstes sorgte das Zurückdrehen von Reformen am Anfang der Syriza-Regierungszeit für eine steigende Gefahr eines Staatsbankrotts und damit für höhere Risikoaufschläge. Zudem führten die kurzen Regierungszeiten und ständigen politischen Proteste zu einer höheren generellen politischen Instabilität.
Der Fall Griechenlands steht exemplarisch dafür, wie politische Faktoren staatliche Ausfallrisiken beeinflussen können. Jedoch lassen sich daraus keine allgemeinen Schlussfolgerungen ziehen. Im Folgenden werden Ergebnisse einer Forschungsarbeit berichtet, die dieses Phänomen für eine größere Anzahl von Schwellen- und Entwicklungsländern untersucht.¹ Diese Staaten bieten mit ihren volatilen politischen Systemen und ihrer langen Geschichte staatlicher Zahlungsausfälle eine bessere Datengrundlage.
Bisher vorhandene Studien in diesem Bereich nutzen zur Messung des Risikos eines staatlichen Zahlungsausfalls überwiegend Kreditratings (insbesondere der Ratingagenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch). Im Unterschied dazu liegt der Fokus der vorliegenden Studie auf Risikoprämien, die in den Effektivzinsen von Staatsanleihen eingepreist sind. Gegenüber Ratings bietet diese marktbasierte Messung des staatlichen Ausfallrisikos etliche Vorteile. Neben der hohen Datenfrequenz liefern Marktdaten eine kontinuierliche Schätzung des Ausfallrisikos. Zudem sind die Risikoprämien verschiedener Länder und Zeiträume gut vergleichbar und transparent, wohingegen die staatlichen Kreditratings der Agenturen in vielerlei Hinsicht eine Black Box darstellen.
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1. Vgl. Eichler, Stefan: The Political Determinants
of Sovereign Bond Yield Spreads, in: Journal of
International Money and Finance, Vol. 46, 2014, 82-103.