Von der Transformation zur europäischen Integration: Wachstumsfaktor Bildung besser nutzen – ein Tagungsbericht
Unter dem Titel „Von der Transformation zur europäischen Integration: Wachstumsfaktor Bildung besser nutzen“ hat das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) gemeinsam mit Partnern aus Forschungseinrichtungen und Universitäten in Deutschland am 22. Februar 2017 Forschungsergebnisse zur besseren Nutzung von Bildung als Wachstumsfaktor vorgestellt und diskutiert. Der Präsident des IWH, Professor Reint E. Gropp, Ph.D., unterstrich, dass es Investitionen in Humankapital seien, die langfristig das Wirtschaftswachstum treiben. Andere Länder investierten deutlich mehr in Humankapital als Deutschland. Dies sollte zu denken geben.
05. Juli 2017
In seinem Eröffnungsvortrag über „Hochschulen als Wachstumsmotor für unser Land“ griff Dr. Jürgen Ude, Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung des Landes Sachsen-Anhalt (Foto), den Gedanken guter Bildung wieder auf. Sachsen-Anhalt verfüge über ein attraktives, breites Studienangebot, mit ausgezeichneter Forschung, moderner Ausstattung, guten Betreuungsrelationen und hoher Lebensqualität. Der Redner verwies in diesem Zusammenhang auf die Kampagne des Landeshochschulmarketings „Studiere, was dich wirklich weiter bringt“. Die Bedeutung der Hochschulen für die Region sei, neben nachfrageseitigen Effekten, vor allem am Wissens- und Technologietransfer festzumachen. Was den Wissenstransfer und die Innovationsförderung betrifft, verwies der Staatssekretär auf „Good-Practice“-Beispiele in Sachsen-Anhalt, etwa zur wirtschaftlichen Verwertung von Hochschulpatenten, Lizensierungen sowie Unterstützung von Gründungen.
Der Verknüpfung der Förderung von Forschung und Entwicklung mit der Stärkung der regionalen Wirtschaft dienten solche Instrumente wie Transfergutscheine, die Programme Wissens- und Technologietransfer, ego.–INKUBATOR und ego.–Transfer sowie das Kompetenznetzwerk für Angewandte und Transferorientierte Forschung (KAT).
Professor Dr. Oliver Holtemöller, Leiter der Abteilung Makroökonomik und stellvertretender Präsident des IWH sowie Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, referierte zum Thema „Ostdeutschland in der Middle Income Trap“. Der Aufholprozess Ostdeutschlands habe sich anfänglich sehr schnell und später langsamer vollzogen, und er könne sich auch im Vergleich zu anderen Post-Transformationsökonomien sehen lassen. Dass sich der Aufholprozess verlangsamt, sei im internationalen Vergleich eher der Normalfall, schnelles Aufholen die Ausnahme. Ganz Kontinentaleuropa zeichne sich durch eine Wachstumsschwäche aus, was vor allem mit dem Dienstleistungssektor zu tun habe. Die wirtschaftliche Herausforderung Ostdeutschlands bestünde darin, mehr in Humankapital zu investieren.
Podiumsgespräch „Hochschulen als Wachstumsmotoren stärken – wie geht das?“
Den Abschluss der Tagung bildete ein Podiumsgespräch zum Thema „Hochschulen als Wachstumsmotoren stärken – wie geht das?“. Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren: Professorin Dr. Andrea A. Robitzki, Biotechnologisch-Biomedizinisches Zentrum, Universität Leipzig; MinR Hans-Peter Hiepe, Bundesministerium für Bildung und Forschung; Professor Dr. Peer Pasternack, Institut für Hochschulforschung (HoF) an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg; Professor Dr. Oliver Holtemöller, IWH. Moderiert wurde das Gespräch von Regina Brinkmann, freie Journalistin.
Im Gespräch wurden Faktoren herausgearbeitet, die die Zusammenarbeit von Hochschulen und Wirtschaft begünstigen. Hervorgehoben wurde die Notwendigkeit, Hochschulen angemessen finanziell auszustatten.
Prof. Dr. C. Katharina Spieß, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Berlin und Freie Universität Berlin, ging in ihrem Vortrag der Frage „Was kann zur Verbesserung der frühkindlichen Bildung und Betreuung getan werden?“ nach. Die Rednerin stellte Ergebnisse der bildungsökonomischen Forschung zu diesem Thema vor und sprach Politikempfehlungen aus. Die Forschung zeige, dass die Rendite von Investitionen im Bereich der sehr frühen Bildung die höchste sei. Voraussetzung sei aber eine hohe Qualität der Bildungsangebote. Eine Studie über die Effekte universeller Kita-Angebote in Norwegen zeige langfristig positive Effekte auf die Bildung und das Einkommen sowie eine Verringerung der Abhängigkeit von Fürsorge und des Schulabbruchs. Ansatzpunkte für Reformen lägen neben der Erhöhung von Investitionen unter anderem auch in einer Förderung, die zielgruppenspezifischer für Familien und für Nachbarschaften erfolgt (target within universal).
Zum Abschluss des Vortragsteils sprach Professor Dr. Nils Berkemeyer, Friedrich-Schiller-Universität Jena, in einem zusammen mit Björn Hermstein vorbereiteten Vortrag über „Die Entwicklung der bundesdeutschen Schulsysteme nach PISA – eine gerechtigkeitstheoretische Zwischenbilanz aus dem Chancenspiegel 2017“. Der „Chancenspiegel“, ein Projekt der Bertelsmann-Stiftung, an dem die beiden Autoren mitarbeiten, betreibt ein Monitoring der Schulsysteme, das indikatorenbasiert ist. Die Schulsysteme in den 16 deutschen Ländern würden unterschiedliche Wege beschreiten, und mithin führe dies auch zu Unterschieden in puncto chancengerechter Bildung. Berkemeyer illustrierte das unter anderem am Inklusionsanteil. In seinen Schlussfolgerungen formulierte der Referent mit Blick auf die Inklusion den Wunsch, dass Schulreform und Reform der Lehrerbildung „zusammengedacht werden“.
Wenn private Finanzierungsquellen, etwa Studiengebühren, nicht infrage kommen, müsse ein Ausgleich durch mehr öffentliche Gelder erfolgen. Es gehe darum, im Wettbewerb um die „besten Köpfe“ zu punkten. Die Wirtschaft, speziell kleine und mittelgroße Unternehmen, benötigten flexibel einsetzbare Absolventen. Das Rüstzeug dafür müsse schon an den Hochschulen geschaffen werden. Und es bedürfe Hochschullehrer, die eine Affinität gegenüber den Bedarfen in Unternehmen haben, was nicht allen leicht falle. Das A und O sei aber eine gehaltvolle solide Forschung. Und es komme auf gute Förderprogramme an. Ein gutes Programm sei analytisch begründet. Forscher wünschen sich dabei auch eine themenoffene Förderung. Ist der Schritt zur Existenzgründung getan, brauche es auch Venture Capital, bei dem neben den Finanzmitteln auch die Beratung der jungen Unternehmen wichtig sei.