Trumps Bilanz nach sechs Monaten
Nach einem halben Jahr im Amt hat die Unsicherheit über Donald Trumps wirtschaftspolitisches Programm ein wenig abgenommen. Bei seiner Wahl hatte ich an dieser Stelle noch argumentiert, das wirtschaftspolitische Programm des künftigen Präsidenten sei „schemenhaft und widersprüchlich.“ Der Protektionismus und die expansive Fiskalpolitik würden gegeneinander wirken, das erstere tendenziell das Wirtschaftswachstum verlangsamen, das zweite es (zumindest kurzfristig) erhöhen. Nach sechs Monaten kann man sagen: Keins von beidem ist tatsächlich so eingetreten wie befürchtet/erwartet.
05. Juli 2017
Zunächst zur Fiskalpolitik: Nach dem Gesundheitsreformdesaster gleich zu Beginn (Trumps Reformpaket wurde von seiner eigenen Partei, den Republikanern, sabotiert) scheint ein Infrastrukturprogramm in weite Ferne gerückt. Immerhin sind im Frühjahr die ersten Details einer möglichen Steuerreform bekanntgeworden: eine Reduzierung der Körperschaftsteuer von 35% auf 15%, eine Reduzierung der Anzahl der Steuersätze in der Einkommensteuer von sieben auf drei, verbunden mit der Schließung von Steuerschlupflöchern. Grundsätzlich sind dies keine schlechten Ideen: Die Körperschaftsteuer ist in den USA vergleichsweise hoch, und das extrem komplizierte Einkommensteuergesetz bedarf tatsächlich dringend einer Vereinfachung. Auch der Vorschlag, den Einkommensteuerfreibetrag zu verdoppeln, ist richtig.
Allerdings ist zurzeit noch völlig unklar, wie Trump diese Steuererleichterungen bezahlen will, wenn nicht durch eine deutliche Erhöhung der Schulden. Schnelleres Wachstum jedenfalls, wie von der Trump-Regierung behauptet, wird das Problem nicht lösen: Die USA wachsen ohnehin nahe an ihrem Potenzial, große Steigerungen werden da kurzfristig nicht möglich sein. Und statt Steuerschlupflöcher zu schließen, würde der Vorschlag noch ein weiteres schaffen: Trump möchte den Körperschaftsteuersatz von 15% auch auf Kleinunternehmer anwenden; leider würde das wohl dazu führen, dass sich viele reiche Familien als Unternehmen tarnen würden, um von dem niedrigen Steuersatz zu profitieren. Und andere Aspekte des Pakets erweisen sich als kaum verhüllte Steuergeschenke für die reichen Freunde Trumps: Der Spitzensteuersatz fällt von 39,5% auf 35%, und die so genannte „alternative Mindeststeuer“ wird abgeschafft, was besonders pikant ist, da Trump selbst ohne diese Steuer im letzten Jahrzehnt wohl gar nichts an den Fiskus abgeführt hätte. Zusammen mit der vorgeschlagenen Abschaffung der Erbschaftsteuer, die zurzeit auf Vermögen von über 5,5 Mio. US-Dollar erhoben wird, wären die Änderungen rückschrittlich, und die reichsten Amerikaner würden am meisten profitieren. Der Vorschlag zur Steuerreform liegt jetzt erst einmal auf dem Tisch. In den kommenden Verhandlungen mit dem Kongress wird es nun darum gehen, ob am Ende eine Reform steht, die Schlupflöcher schließt, Steuersätze moderat senkt und sich selbst finanziert, oder eine, von der nur die Allerreichsten wirklich profitieren und die zu einer deutlichen Erhöhung der Verschuldung des Staates führt.
Und was ist mit der Handelspolitik? Trump hat viel getwittert und reichlich präsidiale Anordnungen unterzeichnet, aber meist bezogen sich diese auf „Reviews“, d. h., es sollte etwas evaluiert, aber nicht unbedingt verändert werden. Es ist möglich, aber eher unwahrscheinlich, dass die nächsten Monate noch Veränderungen bringen. China z. B. ist ein wichtiger Bündnispartner in der Auseinandersetzung um das nordkoreanische Atomprogramm. Es ist also nicht anzunehmen, dass Trump China, wie im Wahlkampf angekündigt, bei der Welthandelsorganisation wegen Währungsmanipulation anzeigt. Das Freihandelsabkommen NAFTA (laut Trump „der schlechteste Deal aller Zeiten“) existiert noch immer, und es gibt keinerlei Fortschritte hin zu Neuverhandlungen. Die einzige konkrete Maßnahme ist der Austritt der USA aus dem Trans-Pacific-Partnership-Abkommen (TPP). Das Hauptergebnis der Trump’schen „Handelspolitik“ ist bisher, dass sich die Handelspartner anderweitig orientieren: Mexiko möchte schnell ein Handelsabkommen mit der EU und orientiert sich außerdem wieder stärker nach Südamerika; die EU verstärkt ihre Bemühungen um ein Abkommen u. a. mit Japan und Australien. Insbesondere Japan und China sind sehr darauf bedacht, sich als die großen Verteidiger des freien Handels zu profilieren. Das absurde Resultat der Trump’schen Handelspolitik bis jetzt: Das Bekenntnis zum Freihandel scheint global eher größer als kleiner geworden zu sein