Inhalt
Seite 1
Das Wirtschaftswachstum in Sachsen-AnhaltSeite 2
Mehr Internationalität Auf einer Seite lesenMehr Internationalität
Die internationale Vernetzung der realwirtschaftlichen Aktivitäten ist eine wichtige Triebfeder der wirtschaftlichen Entwicklung. Zwischen 1970 und 1990 stiegen die Exporte Deutschlands von etwa 20% in Relation zum Bruttoinlandsprodukt auf etwas über 30% an. Mit der deutschen Vereinigung fiel die Relation wieder auf etwa 20% zurück. Seit 1992 ist sie schneller als zuvor auf nunmehr über 45% gestiegen; die Beschleunigung hat vor allem mit dem europäischen Binnenmarkt, also dem Abbau von Handelshemmnissen innerhalb der Europäischen Union, und der Dynamik in den großen Schwellenländern zu tun. Rechnerisch geht etwas mehr als die Hälfte der Zunahme des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland seit 1970 auf die Zunahme der deutschen Exporte zurück.
Sachsen-Anhalt nimmt – genauso wie die anderen ostdeutschen Flächenländer – an diesem Prozess bei Weitem weniger teil als Westdeutschland. Der Anteil der Auslandsumsätze an den Gesamtumsätzen der Betriebe im Verarbeitenden Gewerbe liegt hier mit etwa 30% deutlich unter dem Bundesschnitt von gut 45%. Selbst in Schleswig-Holstein, dem Land mit dem niedrigsten Exportanteil unter den westdeutschen Bundesländern, machen die Auslandsumsätze 40% an den Gesamtumsätzen aus, in Hessen, Bayern, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Berlin und Bremen sind es jeweils über 50%. Die fehlende internationale Ausrichtung hat etwas mit der durchschnittlichen Unternehmensgröße zu tun. Großen Unternehmen fällt die Internationalisierung leichter; die Unternehmen in Sachsen-Anhalt sind verglichen mit dem Bundesdurchschnitt klein.
Internationalität umfasst freilich mehr als nur Exporte. Jeder Standort steht im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe. Deutschland ist jedoch für qualifizierte Einwanderer insgesamt nicht attraktiv genug. Viele Zuwanderer fühlen sich in Deutschland unzureichend integriert; ein großer Teil wandert nach wenigen Jahren wieder ab.
Erschwerend für Sachsen-Anhalt ist, dass die teilweise offen zutage tretende Fremdenfeindlichkeit ein negativer Standortfaktor ist; in Sachsen-Anhalt kommen auf 1 000 Einwohner zwölfmal so viele rechtsextreme Straftaten wie beispielsweise in Hessen, und es sind auch mehr als in den anderen ostdeutschen Bundesländern.
Mehr Forschung und Innovation
Innovation und Produktivitätsfortschritt sind Voraussetzungen für nachhaltiges Wirtschaftswachstum. In Ostdeutschland wird im Unternehmenssektor in Relation zum Bruttoinlandsprodukt deutlich weniger in Forschung und Entwicklung (FuE) investiert als durchschnittlich in Westdeutschland. Bei den FuE-Ausgaben insgesamt in Relation zum Bruttoinlandsprodukt nahm Sachsen-Anhalt im Jahr 2012 mit knapp 1½% den letzten Platz unter den 16 Bundesländern ein (neuere Angaben liegen noch nicht vor).
Um die durchschnittliche FuE-Intensität der ostdeutschen Unternehmen zu erhöhen, könnte die Politik bei technologieorientierten Existenzgründungen ansetzen. Hier haben insbesondere Ausgründungen aus den Universitäten hohes Potenzial. Dabei wäre es aber ein Fehler, bestimmte Technologien staatlich vorzugeben. Niemand weiß, welches kleine Start-up-Unternehmen das nächste Google wird.
Fazit
Die Wirtschaftspolitik in Sachsen-Anhalt hat drei Hebel in der Hand, um die mittelfristigen wirtschaftlichen Perspektiven des Landes zu verbessern: Bildung, Internationalität und Innovationen. Die Mittelstandsinitiative des Landes Sachsen-Anhalt greift diese Elemente grundsätzlich auf. Der Bildungsbereich kommt dabei aber zu kurz.
Die Schulen und Hochschulen des Landes sind am besten geeignet, im Zentrum einer auf Bildung, Internationalität und Innovationen ausgerichteten Strategie zu stehen. Mehr ausländische Studierende an die hiesigen Universitäten zu holen, ist eine hervorragende Möglichkeit dazu. Die Auswahl der Studierenden sollte dabei selbstverständlich qualitäts- und leistungsorientiert sein. Das Land muss die besten Köpfe in einer Lebensphase anziehen, in der die Mobilität noch hoch ist. Nach Abschluss des Studiums und insbesondere nach der Gründung einer Familie ist die Mobilität deutlich niedriger als davor.
Richard Florida hat zukunftsorientierte Standortpolitik in dem Slogan „Toleranz, Talente, Technologie“ zusammengefasst, den man wie folgt auslegen kann: „Eine Toleranz- und Talentpolitik ist sehr viel anspruchsvoller und langwieriger als die herkömmliche Technologieförderung oder der Bau von Autobahnen: Demokratische Toleranz, Weltoffenheit und Wertewandel können durch Politik von oben (top-down) kaum verordnet werden. Sie müssen von unten wachsen – oder auch nicht. Durch dieses endogene Wachsen ist die Wirkung dafür aber auch umso nachhaltiger.“ Mehr Toleranz und mehr Talente für Sachsen-Anhalt würden die wirtschaftlichen Perspektiven des Landes verbessern.