Inhalt
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Gleichwertige Lebensverhältnisse durch Regionalförderung? Wirkungsanalysen sind nötigSeite 2
Das Förderprogramm „Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW)Seite 3
Identifikation von Effekten betrieblicher Investitionsförderung – Ergebnisse einer Pilotstudie für Sachsen-AnhaltSeite 4
Endnoten Auf einer Seite lesenIdentifikation von Effekten betrieblicher Investitionsförderung – Ergebnisse einer Pilotstudie für Sachsen-Anhalt
Die große Herausforderung besteht darin, ein überzeugendes Kontrollgruppendesign unter den Bedingungen gegebener GRW-Förderregeln für die zur Verfügung stehenden Daten zu entwickeln. In einer Pilotstudie für das Land Sachsen-Anhalt wurden die Effekte des GRW-Programms auf die wirtschaftspolitischen Zielgrößen Veränderung von Beschäftigung, Umsatz, Investitionen und Arbeitsproduktivität in den geförderten Betrieben analysiert.8
Bei den genannten Größen handelt es sich um zentrale Variablen der Produktionsfunktion: Vereinfacht dargestellt ist der Output (hier gemessen durch den Umsatz) eine Funktion des Einsatzes an Arbeit (Anzahl der Beschäftigten), Vorleistungen und Kapital (hier abgebildet über die Investitionen). Die vierte Größe, die Arbeitsproduktivität (Umsatz je Beschäftigten), repräsentiert das zentrale Maß für Wettbewerbsfähigkeit, das heißt die Fähigkeit, sich am Markt zu behaupten und zu wachsen. Die (Arbeits-)Produktivität kann bei gegebenem Beschäftigungswachstum nur dann steigen, wenn das Umsatzwachstum größer ausfällt als die Zunahme der Beschäftigung. Zudem ist zu befürchten, dass Projekte, die nur aufgrund der Förderung umgesetzt werden, eine geringere Produktivität aufweisen als Projekte, die die Investoren auch ohne staatliche Unterstützung umgesetzt hätten. Aus Sicht der Fördermittelgeber besteht daher möglicherweise ein Zielkonflikt zwischen dem Beschäftigungs- und dem Produktivitätswachstum.
Die in der Pilotstudie für Sachsen-Anhalt angewendete Methode beruht auf einem Standardansatz in der Evaluationsliteratur, dem Differenz-von-Differenzen- Ansatz. Die Idee dieser Methode basiert darauf, für die Gruppe der geförderten und nicht geförderten Unternehmen (also die Behandlungsgruppe und die Kontrollgruppe) jeweils eine Differenz der Zielgrößen (im vorliegenden Fall Beschäftigung, Umsatz, Investitionen und Produktivität) vor der Förderung und danach zu bestimmen. Als Effekt der Förderung wird die Differenz der Gruppendifferenzen interpretiert.
Zur Behandlungsgruppe gehören alle Ein-Betriebs- Unternehmen in Sachsen-Anhalt, die zwischen 2007 und 2013 im Rahmen der GRW gefördert wurden. Die potenzielle Kontrollgruppe bilden Unternehmen, die keinen Zugang zur GRW-Förderung hatten, da sie im Nicht-Fördergebiet – also in bestimmten Regionen Westdeutschlands – ansässig sind. Die Informationen über Unternehmensmerkmale für die geförderten und nicht geförderten Unternehmen stammen aus den Amtlichen Firmendaten für Deutschland (AFiD), die von den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder bereitgestellt werden. Bei diesem Datensatz handelt es sich um eine Vollerhebung für Unternehmen aus dem Verarbeitenden Gewerbe sowie dem Bergbau und der Gewinnung von Steinen und Erden mit mehr als 20 Mitarbeitenden.
Der in der Pilotstudie verwendete Ansatz beruht auf der Annahme, dass sich die geförderten Unternehmen mit dem gleichen Trend wie die nicht geförderten entwickelt hätten. Die Pilotstudie adressiert diesen Aspekt, indem sie nur diejenigen nicht geförderten Unternehmen für die Bildung der Kontrollgruppe berücksichtigt, die den geförderten Unternehmen in wichtigen Unternehmenscharakteristiken soweit wie möglich ähneln. Hierfür kommt eine Variante eines Matching-Verfahrens zur Anwendung, das „statistische Zwillinge“ zu den geförderten Unternehmen aus der Gruppe der nicht geförderten herausfiltert.9
Im Zeitraum von 2007 bis 2013 wurden in Sachsen- Anhalt etwa 1 700 Projekte von ca. 1 200 Betrieben unterstützt. Die Subventionen betrugen knapp 1,4 Mrd. Euro. Die mit Hilfe der GRW finanzierten Investitionen hatten ein Gesamtvolumen von 7,4 Mrd. Euro. Im Ergebnis zeigt sich, dass die GRW-Förderung einen positiven Effekt auf die Beschäftigung in den geförderten Unternehmen hatte. Hierfür wurden die Unternehmen bis zu sechs Jahre nach dem Beginn der Förderung beobachtet. Der Effekt auf die Investitionen ist nur während der Investitionsphase nachweisbar. Ein Effekt auf Produktivität und Umsatz konnte nicht identifiziert werden.10
Die Ergebnisse zeigen, dass die GRW in Sachsen-Anhalt einen Beitrag zur Sicherung vorhandener und zur Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze in den geförderten Unternehmen leistet. Die Studie liefert keinen Beleg dafür, dass ausschließlich unproduktive Arbeitsplätze gefördert wurden. Tatsächlich war der Koeffizient, der in der statistischen Analyse den Einfluss der Förderung auf die Arbeitsproduktivität angibt, zwar negativ, jedoch nicht statistisch signifikant. Es liegt deswegen nahe, dass die zusätzliche Beschäftigung eine ähnliche Produktivität aufweist wie die ungeförderte Beschäftigung in den Betrieben der westdeutschen Kontrollgruppe.
Die zukünftige Forschung sollte sich zunächst darauf konzentrieren, die Validität der Ergebnisse zu verbessern, insbesondere indem auch die Betriebe aus den übrigen geförderten Regionen Deutschlands in die Analyse einbezogen werden. Ein weiterer wichtiger Strang zukünftiger Forschung sollte sich dem Zusammenspiel zwischen dem Arbeitsplatz- und dem Produktivitätsziel widmen. Es ist nämlich erst noch der Nachweis zu erbringen, ob die Arbeitsplätze in den geförderten Unternehmen wirklich dauerhaft bestehen können, wenn es den Unternehmen nicht gelingt, ihre Produktivität gegenüber den vergleichbaren nicht geförderten Unternehmen zu steigern. Es wäre dann zu hinterfragen, ob damit dem Hauptanliegen der GRW – der Schaffung von zusätzlichen Einkommensquellen, um das Gesamteinkommen in der Region deutlich zu erhöhen – genüge getan wäre.
Aktuell diskutiert die Politik die Neuabgrenzung von Fördergebieten für die Förderperiode ab 2021. Im Gegensatz zu früheren Förderperioden wird erwogen, die Produktivität der Regionen bei der Bestimmung ihrer Strukturschwäche zu berücksichtigen, was bislang nicht der Fall war. Danach würden vor allem jene Regionen zum Fördergebiet ernannt, deren Produktivität besonders gering ist.11 In Zeiten des Fachkräftemangels muss es gelingen, das Einkommen in den strukturschwachen Regionen ohne zusätzliche Arbeitskräfte zu steigern. Dies gelingt nur über eine Erhöhung der Produktivität.