Contents
Page 1
Globalisierung und Wahlverhalten
Page 2
Daten, Definitionen und Methodik
Page 3
Ergebnisse: Kurz- und Langfristeffekte sind verschieden
Page 4
Endnoten All on one page

Ergebnisse: Kurz- und Langfristeffekte sind verschieden

Bevor wir zu den Regressionsergebnissen kommen, zeigt Tabelle 1 zunächst die mittleren Veränderungen des Importschocks und der Wahlergebnisse für die 196 Regionen in der kurzen Frist.

Im Mittel über die Jahre 1997 bis 2007 und über alle Regionen beträgt der Anstieg der Importe in den zwei Jahren vor einer Wahl 210 Euro pro Arbeiter. Betrachtet über den gleichen Zeitraum, waren die durchschnittlichen Veränderungen der Wahlanteile für alle Parteifamilien nahe null. Linke Parteien haben um 0,2 Prozentpunkte gewonnen, während populistische Parteien einen halben Prozentpunkt zulegen konnten. Sowohl die Wahlanteile der extremen Rechten als auch die Populismusintensität sind leicht gesunken. 

Der Anstieg der Wahlanteile für populistische und rechtsextreme Parteien tritt erst später ein, besonders bei den Wahlen in den Jahren 2012 bis 2015. Verglichen mit der ersten berücksichtigten Wahl pro Land um das Jahr 2000 verzeichnen populistische Parteien pro Region einen durchschnittlichen Anstieg von 10,5 Prozentpunkten, für rechtsextreme Parteien sind es 5 Prozentpunkte (vgl. Tabelle 2).

Die Abbildung verdeutlicht die Variation der Veränderungen pro Parteifamilie in den verschiedenen Regionen in der langen Frist (bis 2016-2019). Deutlich wird hier zum einen, dass besonders viele Regionen einen starken Zuwachs rechtsextremer und populistischer Wahlanteile aufweisen (blaue und grüne Regionen). Zudem verlieren extrem linke Parteien an Zustimmung.17

Diese rein deskriptiven Ergebnisse zeigen sich auch in der Regressionsanalyse. Der kurzfristige Effekt von Importschocks, gemessen am Anstieg der Importe zwei Jahre vor einer Wahl, ist sehr gering und begünstigt eher linksextreme und populistische Parteien. Der Effekt in der langen Frist ist bei rechtsextremen und populistischen Parteien stärker ausgeprägt, während linke Parteien nicht profitieren. Die wichtigste Erkenntnis der Studie ist jedoch, dass Handelsschocks selbst langfristig nur einen relativ kleinen Teil des Aufstiegs populistischer und rechter Parteien erklären können. Vergleicht man eine durchschnittlich von Handelsschocks betroffene Region mit einer gar nicht betroffenen Region, so war in der betroffenen Region der Anstieg des Stimmenanteils bei rechtsextremen Parteien etwa ein Sechstel höher und der Anstieg bei populistischen Parteien etwa ein Achtel höher. Somit können selbst starke Unterschiede in den Handelsschocks nur einen relativ kleinen Unterschied in der Entwicklung der Wahlergebnisse erklären. Diese begrenzte Erklärungskraft wirtschaftlicher Einflussfaktoren spiegelt auch Argumente aus der noch immer aktuellen Debatte unter Politikwissenschaftlern wider, die eher Erklärungsansätze kulturellen Ursprungs (wie bspw. Fremdenfeindlichkeit und Widerstand gegen veränderte Geschlechterrollen) im Gegensatz zu wirtschaftlichen Faktoren betonen (Inglehart und Norris 2016, Margalit 2019). Dies wirft die Frage auf, inwieweit Kompensationsmaßnahmen für die Verlierer von (wirtschaftlicher) Globalisierung effektiv sein können als Politikinstrument zur Bekämpfung des Aufschwungs rechtsextremer und populistischer Parteien.

Suggested Reading

cover_DP_2024-08.jpg

Import Shocks and Voting Behavior in Europe Revisited

Annika Backes Steffen Müller

in: IWH Discussion Papers, No. 8, 2024
published in: European Journal of Political Economy

Abstract

We provide first evidence for the long-run causal impact that Chinese imports to European regions had on voting outcomes and revisit earlier estimates of the short-run impact for a methodological reason. The fringes of the political spectrum gained ground many years after the China shock plateaued and, unlike an earlier study by Colantone and Stanig (2018b), we do not find any robust evidence for a short-run effect on far-right votes. Instead, far-left and populist parties gained in the short run. We identify persistent long-run effects of import shocks on voting. These effects are biased towards populism and, to a lesser extent, to the far-right.

read publication

Also in this issue

cover_wiwa_2024-04.pdf

Ist der Solidaritätszuschlag verfassungswidrig?

Reint E. Gropp

in: Wirtschaft im Wandel, No. 4, 2024

Abstract

<p>Am 12. November 2024 hörte das Bundesverfassungsgericht Argumente zu einer Klage einiger FDP-Abgeordneter gegen den Solidaritätszuschlag. IWH-Präsident Reint Gropp war als Sachverständiger geladen und gibt in diesem Beitrag seine Einschätzung zur Thematik wieder.</p>

read publication

cover_wiwa_2024-04.pdf

Aktuelle Trends: Die Bedeutung von Banken zur Verteilung von Subventionen

Aleksandr Kazakov Michael Koetter

in: Wirtschaft im Wandel, No. 4, 2024

Abstract

<p>Seit 1990 wurden im Rahmen der „Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) rund 68 Milliarden Euro an Unternehmen in strukturschwachen Regionen in Ost- und Westdeutschland vergeben. Dieser Beitrag verdeutlicht die Rolle der Banken dabei und zeigt erhebliche räumliche Unterschiede bei den Subventionen.</p>

read publication

cover_wiwa_2024-04.pdf

Wie Arbeitsplatzzusagen die Unternehmensdynamiken beeinflussen

Ufuk Akcigit Harun Alp André Diegmann Nicolas Serrano-Velarde

in: Wirtschaft im Wandel, No. 4, 2024

Abstract

<p>Arbeitsplatzzusagen stellen eine häufig genutzte industriepolitische Maßnahme dar. Die zugrundeliegende Studie evaluiert die Wirkungen von Arbeitsplatzzusagen zum Zeitpunkt der Privatisierung der Unternehmen in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung. Diese industriepolitische Maßnahme verlangte von den neuen Eigentümern der Unternehmen, sich zu Beschäftigungszielen zu verpflichten, wobei Strafen für Nichteinhaltung vertraglich vereinbart waren. Die Studie zeigt, dass Arbeitsplatzzusagen zu einer Polarisierung und Fehlallokation führen. Während Unternehmen mit geringer Produktivität aus dem Markt gedrängt werden, führt das industriepolitische Instrument zu Verzerrungen in der Unternehmensgröße. Um diese Verzerrungen abzubauen, haben Unternehmen einen Anreiz, in Produktivität zu investieren. Im Vergleich mit produktivitätssteigernden Subventionen zeigen sich Arbeitsplatzzusagen langfristig als weniger nachhaltig und generieren geringere Beschäftigungseffekte.</p>

read publication

cover_wiwa_2024-04.pdf

Interview: Promovieren in Wirtschaftswissenschaften am IWH

Michael Koetter

in: Wirtschaft im Wandel, No. 4, 2024

Abstract

<p>Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) bietet ein Doctoral Programme in Economics (DPE). Diese Promotionsstellen in Wirtschaftswissenschaften bieten Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern die Möglichkeit, ihre Forschung unter exzellenten Bedingungen durchzuführen und sich während ihrer Promotion in Wirtschaftswissenschaften in einem internationalen Netzwerk zu verankern. Wir sprechen mit dem Leiter des Programms, Professor Michael Koetter, Ph.D.</p>

read publication

Whom to contact

For Researchers

For Journalists

Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft LogoTotal-Equality-LogoSupported by the BMWK