Deutsche Wirtschaft kränkelt – Reform der Schuldenbremse kein Allheilmittel
Die Wirtschaft in Deutschland ist angeschlagen. Eine bis zuletzt zähe konjunkturelle Schwächephase geht mit schwindenden Wachstumskräften einher. In der lahmenden gesamtwirtschaftlichen Entwicklung überlagern sich somit konjunkturelle und strukturelle Faktoren. Zwar dürfte ab dem Frühjahr eine Erholung einsetzen, die Dynamik wird aber insgesamt nicht allzu groß ausfallen. Zeitlich verzögert und in abgeschwächter Form hat das konjunkturelle Grundmuster, das die Institute im vergangenen Herbstgutachten gezeichnet hatten, im Prognosezeitraum weiterhin Bestand. Im laufenden Jahr avanciert der private Konsum zur wichtigsten Triebkraft für die Konjunktur. Nachdem der ab Mitte 2021 einsetzende Teuerungsschub die Massenkaufkraft zwei Jahre lang drastisch geschmälert hatte, steigen die real verfügbaren Einkommen nun wieder deutlich. Zum einen bildet sich der kräftige Preisauftrieb weiter zurück, zum anderen werden nun mehr und mehr höhere Lohnabschlüsse wirksam, die zunächst nur verzögert an die hohe Geldentwertung angepasst werden konnten. Zudem schlägt auch bei den monetären Sozialleistungen in beiden Prognosejahren wieder ein deutliches reales Plus zu Buche. Damit fließt insgesamt mehr Kaufkraft an private Haushalte. Während somit in diesem Jahr die konsumbezogenen Auftriebskräfte dominieren, trägt im kommenden Jahr vermehrt das Auslandsgeschäft die Konjunktur. Alles in allem revidieren die Institute ihre Prognose für die Veränderung des Bruttoinlandsprodukts im laufenden Jahr gegenüber ihrem Herbstgutachten deutlich um 1,2 Prozentpunkte nach unten auf nunmehr 0,1 %. Die Prognose für die Rate im kommenden Jahr bleibt mit 1,4 % nahezu unverändert (Rücknahme um 0,1 Prozentpunkte), geht aber mit einem um über 30 Mrd. Euro geringeren Volumen der Wirtschaftsleistung einher. Die Werte für die jahresdurchschnittliche Veränderung überzeichnen die Unterschiede in der konjunkturellen Dynamik beider Jahre, die ausweislich der jeweiligen Verlaufsraten mit 1,0 % und 1,5 % weniger ausgeprägt sind. Gleichwohl verlagert sich die Erholung nunmehr stärker in das kommende Jahr.
27. March 2024
Im Jahr 2023 expandierte die Weltwirtschaft zwar nur in moderatem Tempo, sie zeigte sich angesichts vielfältiger Belastungen aber insgesamt recht robust. Nachdem sich die internationale Konjunktur im Verlauf des zweiten Halbjahres 2023 abgeschwächt hatte, scheint sie zu Beginn des Jahres 2024 wieder etwas an Schwung zu gewinnen. Die Stimmungsindikatoren haben sich verbessert, und an den Finanzmärkten sind die Aktienkurse stark gestiegen. Anregend wirkt, dass die Energiepreise wieder niedriger sind und die inflationsbedingt gesunkene Kaufkraft in den meisten Ländern inzwischen wieder steigt.
Das internationale Konjunkturbild ist sektoral und regional stark differenziert. So expandierten die Dienstleistungen im vergangenen Jahr deutlich stärker als die Industrie. Der Welthandel mit Waren ging sogar spürbar zurück. Unter den großen Ländern expandierte die US-Wirtschaft überraschend stark, während die Produktion in der Europäischen Union (EU) und in Großbritannien nur geringfügig zunahm. In Japan rutschte die Wirtschaft im zweiten Halbjahr in eine Rezession. Differenziert war die Konjunktur auch innerhalb der Gruppe der Schwellenländer: In China wurde die wirtschaftliche Erholung von der Pandemie durch die dortige Immobilienkrise beeinträchtigt. Rohstoffexportierende Volkswirtschaften, etwa in Südamerika, litten unter Preisrückgängen bei Getreide und Industriemetallen. Dagegen blieb das Expansionstempo der indischen Wirtschaft hoch, und in Russland konnten die nach dem Angriff auf die Ukraine eingetretenen Einbußen im Handel mit Europa zunehmend durch mehr Austausch mit China und anderen Ländern Asiens ersetzt werden.
Der Rückgang der Inflation erfolgte vielerorts rascher als erwartet. Zwar sind die Erdölpreise im vergangenen Jahr nicht mehr zurückgegangen, seit dem Jahreswechsel sind sie sogar leicht aufwärtsgerichtet. Die Börsennotierungen für Erdgas liegen aber deutlich unter den Vorjahreswerten, insbesondere in Europa. Was zudem die Preise für Güter des Verarbeitenden Gewerbes weltweit dämpft, sind deflationäre Tendenzen in China. Entscheidend für die Frage, ob sich die Inflationsraten in den USA und in Europa im Verlauf dieses Jahres weiter zurückbilden und sich damit die Voraussetzungen für eine Lockerung der Geldpolitik einstellen werden, dürfte aber sein, ob sich die Löhne stabilitätsgerecht entwickeln. Während die Effektivlöhne zuletzt in beiden Wirtschaftsräumen mit Jahresraten in der Größenordnung von 4 bzw. 4½ % ähnlich stark stiegen, erhöhten sich die für die Kostenbelastung der Unternehmen ausschlaggebenden Lohnstückkosten in sehr unterschiedlichem Maße. Weil die Arbeitsproduk- tivität in den USA deutlich zulegt, stiegen sie dort moderat und sind mit dem Inflationsziel von 2% vereinbar. Im Euroraum war die Arbeitsproduktivität hingegen zuletzt – auch wegen der schwachen Konjunktur – rückläufig und der Lohnstückkostenanstieg mit 5¾ % sehr stark. Allerdings ist damit zu rechnen, dass er sich im Prognosezeitraum auch im Euroraum verringert.
Alles in allem zeichnet sich für die USA und für den Euroraum ab dem Frühsommer eine Zinswende ab. Gleichwohl dürften die Leitzinsen trotz schrittweiser Senkung noch das ganze Jahr über so hoch sein wie kaum je seit der Finanzkrise. Unter völlig anderen Vorzeichen steht die Geldpolitik in China. Dort sucht die Politik zu verhindern, dass aus der Immobilienkrise eine allgemeine Finanzkrise wird. Auch die Finanzpolitik stützt dort die schwache Konjunktur und speziell den Immobiliensektor. In den fortgeschrittenen Volkswirtschaften ist die Ausrichtung der Finanzpolitik dagegen leicht restriktiv, auch weil die im Jahr 2022 ergriffenen Maßnahmen gegen den Energiekostenschub nun weitgehend entfallen sind. Angesichts der höheren Zinsen halten sich viele Regierungen bei zusätzlichen Ausgaben zurück, in Europa auch um fiskalpolitische Defizit- und Schuldenregeln einzuhalten. In den USA werden die Staatsausgaben durch den Parteienstreit im Kongress stark begrenzt. Allerdings können bereits verabschiedete und mittelfristig ausgerichtete Investitionspakete der Konjunktur in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften weiterhin Impulse geben.
Die Aussichten für die Weltkonjunktur haben sich zuletzt zwar etwas verbessert, die wirtschaftliche Expansion dürfte aber moderat bleiben. Im Euroraum werden höhere Reallöhne den privaten Konsum stärken, und die Konjunktur wird sich spürbar beleben. Ein kräftiger Aufschwung ist indes nicht zu erwarten, denn die durch den Wegfall russischen Gases höheren Energiekosten haben die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen verringert. Für die USA kann zwar die Tatsache optimistisch stimmen, dass die restriktive Geldpolitik dort bisher überraschend wenig gedämpft hat, zumal der Restriktionsgrad ab der Jahresmitte sinken dürfte. Allerdings dürfte die Expansion des privaten Konsums an Schwung verlieren, weil die zu Pandemiezeiten angehäuften Extra-Ersparnisse allmählich zur Neige gehen. Auch gibt es keine weiteren Impulse durch die Finanzpolitik, so dass für das nächste Jahr nur noch mit einem Produktionsanstieg zu rechnen ist, der in etwa der Wachstumsrate des Produktionspotenzials entspricht. In den Schwellenländern insgesamt dürfte die Wirtschaftsleistung in diesem und im nächsten Jahr in einem wenig veränderten Tempo zunehmen. In China belasten hartnäckige Probleme im Immobiliensektor, eine auch deshalb weiter gedämpfte Konsumneigung, deflationäre Tendenzen sowie die an- haltenden handelspolitischen Spannungen mit den USA; das Expansionstempo dürfte auf unter 5 % fallen.
Alles in allem rechnen die Institute mit einem Zuwachs der Weltproduktion um 2,5 % im Jahr 2024 und um 2,6 % im Jahr darauf. Die Revision der Prognose für die Weltproduktion beläuft sich für das Jahr 2024 auf 0,2 Prozentpunkte nach oben und für 2025 um
0,1 Prozentpunkt nach unten. In den fortgeschrittenen Volkswirtschaften verändert sich der Produktionsanstieg im Jahresdurchschnitt mit Raten von 1,6 % im laufenden Jahr und 1,7 % im kommenden Jahr ebenfalls nur wenig. Während die Zuwachsraten der gesamtwirtschaftlichen Produktion in etwa konstant bleiben, wird das Konjunkturgefälle zwischen den USA und Europa geringer, und die Dynamik im Verhältnis zwischen Dienstleistungen und Industrie dürfte sich wieder zugunsten der Industrie verschieben. Die Unternehmensinvestitionen, die auch im vergangenen Jahr weltweit spürbar ausgeweitet wurden, dürften noch etwas an Schwung gewinnen; die Investitionen im Wohnungsbau sogar deutlich anziehen.
Nach dem deutlichen Rückgang im vergangenen Jahr wird der weltweite Warenhandel im laufenden Jahr voraussichtlich um 1,3% zunehmen. Im Jahr 2025 dürfte der Welthandel mit 2,2% wieder in etwa so stark steigen wie im längerfristigen Trend. Die Inflation dürfte im Jahresdurchschnitt 2024 von 4,7% auf 2,6% zurückgehen und im Jahr 2025 in die Nähe der 2%-Marke sinken.
Die Weltwirtschaft ist gegenwärtig großen geopolitischen Risiken ausgesetzt. Aktuelle Kriege könnten eskalieren und in der Folge neuerliche Energiekrisen oder eine starke Fluchtmigration verursachen. Das Ausbrechen schwelender geopolitischer Konflikte in Asien würde Welthandel und Wertschöpfungsketten empfindlich stören und die Weltwirtschaft stressen.
Ein wesentliches Risiko für die Weltwirtschaft im Jahr 2024 besteht außerdem darin, dass die Inflation in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften hartnäckiger sein könnte als erwartet, mit der Folge, dass die Zentralbanken ihre Politik nicht so rasch lockern würden, wie von den Finanzmärkten und auch in der vorliegenden Prognose unterstellt. Spürbar gebremst würde die weltwirtschaftliche Aktivität auch, wenn die in vielen Ländern zu verzeichnende Krise bei Gewerbeimmobilien zu Stress im Bankensektor führen würde, der die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen und Haushalte insgesamt beeinträchtigt.
Zunehmende handelspolitische Spannungen bilden ein weiteres Risiko für die Weltkonjunktur. Nachdem sich das Verhältnis zwischen den USA und China durch neue US-Restriktionen im Hochtechnologiebereich durch die US-Regierung im vergangenen Jahr verschlechtert hat, zeichnet sich nun auch zwischen China und der EU ein handelspolitischer Streit ab, seit in der EU über Strafzölle auf die Einfuhr industriepolitisch sensibler Güter wie E-Autos oder Windanlagen aus China diskutiert wird. Schließlich gibt es erhebliche Unsicherheit im Zusammenhang mit der im Herbst anstehenden US-Präsidentschaftswahl, insbesondere im Hinblick auf die Implikationen für die Außen-, Handels- und Umweltpolitik.
Die Wirtschaft in Deutschland ist angeschlagen. Eine bis zuletzt zähe konjunkturelle Schwächephase geht mit schwindenden Wachstumskräften einher. In der lahmenden gesamtwirtschaftlichen Entwicklung überlagern sich somit konjunkturelle und strukturelle Faktoren. Zwar dürfte ab dem Frühjahr eine Erholung einsetzen, die Dynamik wird aber insgesamt nicht allzu groß ausfallen. Derzeit bewegt sich die Wirtschaftsleistung auf einem Niveau, das kaum über dem vor der Pandemie liegt. Seitdem tritt die Produktivität auf der Stelle, und die inzwischen um über 600 000 höhere Zahl der Erwerbstätigen kompensiert im Wesentlichen nur die niedrigere durchschnittlich geleistete Arbeitszeit. Hierbei spielt allerdings auch der gegenüber dem Trend weiterhin stark erhöhte Krankenstand eine Rolle. Sofern sich dieser – wie von den Instituten unterstellt – bis zum Ende des kommenden Jahres zurückbildet, steht wieder ein um 1,5% höheres Arbeitsvolumen zur Verfügung
Das von den Instituten im vergangenen Herbst bereits für das Winterhalbjahr erwartete Anziehen der Wirtschaftsleistung ist ausgeblieben, auch wenn sich der private Konsum als leicht stützend erwiesen hat. Außen- wie binnenwirtschaftlich gab es mehr Gegen- als Rückenwind. So sind die deutschen Ausfuhren gesunken, während die weltwirtschaftliche Aktivität bis zuletzt gestiegen ist. Dies liegt vor allem daran, dass die für die deutschen Exportunternehmen bedeutsame Nachfrage nach Investitions- und Vorleistungsgütern schwach blieb. Insbesondere bei energieintensiven Gütern hat auch die preisliche Wettbewerbsfähigkeit gelitten, und Produktion ist ins Ausland abgewandert.
Die Investitionstätigkeit hat sich nun stärker der stagnierenden Konjunktur angepasst. Noch etwas schwächer als erwartet zeigte sich zuletzt die Bauaktivität, insbesondere im Wohnbau. Die in den vergangenen drei Jahren kräftig angeschwollenen Neubaupreise lassen beim derzeitigen Zinsniveau nur noch sehr wenige Projekte rentabel erscheinen. Deutlich eingetrübt hat sich das Bild für die Ausrüstungsinvestitionen, die bis zum dritten Quartal 2023 – entgegen der stagnierenden Konjunktur – aufwärts gerichtet blieben, im vierten Quartal aber einbrachen. Offenbar wurden dort zunächst noch begonnene Projekte fertiggestellt und Aufträge abgearbeitet, die in der postpandemischen Phase infolge von Engpässen nicht bedient werden konnten.
Insgesamt haben sich die hohen Auftragsbestände in der Industrie als weniger stabilisierend erwiesen, als von den Instituten erwartet worden war. So sind zwar die ausgewiesenen Auftragsreichweiten weiterhin hoch, gleichzeitig sind aber die industriellen Produktionskapazitäten unterausgelastet. Dies kann – neben unerfassten Stornierungen – auf mangelnde Profitabilität der zuvor in erheblichem Umfang hereingenommen Aufträge hindeuten.
Auch gesamtwirtschaftlich sind infolge der seit fast zwei Jahren stotternden Konjunktur die Produktionskapazitäten nunmehr merklich unterausgelastet. Die Differenz zwischen umfragebasierten Daten zur Kapazitätsauslastung und der von den Instituten geschätzten Produktionslücke hat sich deutlich zurückgebildet. Die verbliebene Diskrepanz am aktuellen Rand ist weitgehend durch den überhöhten Krankenstand, der die Produktionsmöglichkeiten temporär einschränkt, erklärbar. Seit Mitte des vergangenen Jahres zeigen beide Maße eine rückläufige Auslastung unterhalb des Normalniveaus an, so dass seitdem substanziell von einer Konjunkturkrise die Rede sein kann.
Zeitlich verzögert und in abgeschwächter Form hat das konjunkturelle Grundmuster, das die Institute im vergangenen Herbstgutachten gezeichnet hatten, im Prognosezeitraum weiterhin Bestand. Im laufenden Jahr avanciert der private Konsum zur wichtigsten Triebkraft für die Konjunktur. Nachdem der ab Mitte 2021 einsetzende Teuerungsschub die Massenkaufkraft zwei Jahre lang drastisch geschmälert hatte, steigen die real verfügbaren Einkommen nun wieder deutlich. Zum einen bildet sich der kräftige Preisauftrieb weiter zurück, zum anderen werden nun mehr und mehr höhere Lohnabschlüsse wirksam, die zunächst nur verzögert an die hohe Geldentwertung angepasst werden konnten. Zudem schlägt auch bei den monetären Sozialleistungen in beiden Prognosejahren wieder ein deutliches reales Plus zu Buche, nachdem diese in realer Rechnung im Vorjahr – nach zwei Minusjahren in Folge – stagniert hatten. Damit fließt insgesamt mehr Kaufkraft an private Haushalte, die eine höhere Ausgabenneigung haben.
Kaum verändert ist auch das Bild für die Bauinvestitionen, die insbesondere unter dem sehr schwachen Wohnbau leiden, der erst in der zweiten Hälfte des Prognosezeitraums – nach dann vier rückläufigen Jahren in Folge – nur langsam und auf dürftigem Niveau expandieren dürfte. Deutlich getrübt ist nun aber der Ausblick für die Unternehmensinvestitionen. Nicht nur der Wirtschaftsbau geht durch ein tieferes Tal, auch die Ausrüstungsinvestitionen expandieren zunächst deutlich schwächer und auf niedrigem Niveau; auch deshalb, weil die fortwährende Unsicherheit über die Wirtschaftspolitik den Attentismus unter den Unternehmen nährt. Eine durchgreifende Verbesserung des Investitionsklimas ist daher nicht in Sicht. So bewegen sich die Unternehmensinvestitionen trotz der erwarteten Belebung im kommenden Jahr dann auf dem Niveau des Jahres 2017.
Nach wie vor gehen die Institute davon aus, dass sich das Verhältnis aus Welthandel und Weltproduktion allmählich normalisiert. Im Zuge eines wieder stärkeren Gleichlaufs sollten sich auch für deutsche Exporteure die Absatzaussichten aufhellen, insbesondere in den für sie bedeutsamen Güterkategorien. Impulse für die Konjunktur sind von dieser Seite aber nicht vor Mitte des laufenden Jahres zu erwarten. Während in diesem Jahr die konsumbezogenen Auftriebskräfte dominieren, trägt im kommenden Jahr vermehrt das Auslandsgeschäft die Konjunktur.
Die Fehlbeträge im gesamtstaatlichen Haushalt gehen in Relation zur Wirtschaftsleistung von 2,1% im Vorjahr auf 1,6% (2024) und 1,2% (2025) zurück. Die Einnahmenquote der öffentlichen Hand erreicht in den beiden Prognosejahren mit 47,5% und 48,4% jeweils gesamtdeutsche Rekordwerte. Gemessen sowohl an den von den Instituten unterstellten finanzpolitischen Maßnahmen als auch an der Veränderung des strukturellen Primärsaldos wirkt die Finanzpolitik im laufenden Jahr kontraktiv und im kommenden Jahr nahezu neutral. Die Geldpolitik dürfte trotz des zur Mitte des laufenden Jahres einsetzenden Zinssenkungspfades zunächst weiterhin dämpfend wirken, da die Nominalzinsen voraussichtlich kaum stärker sinken als der Preisauftrieb.
Alles in allem revidieren die Institute ihre Prognose für die Veränderung des Bruttoinlandsprodukts im laufenden Jahr gegenüber ihrem Herbstgutachten deutlich um 1,2 Prozentpunkte nach unten auf nunmehr 0,1%. Die Prognose für die Rate im kommenden Jahr bleibt mit 1,4% nahezu unverändert (Rücknahme um 0,1 Prozentpunkte), geht aber mit einem um über 30 Mrd. Euro geringeren Volumen der Wirtschaftsleistung einher. Die Werte für die jahresdurchschnittliche Veränderung überzeichnen allerdings die Unterschiede in der konjunkturellen Dynamik beider Jahre, die ausweislich der jeweiligen Verlaufsraten mit 1,0% und 1,5% weniger ausgeprägt sind. Gleichwohl verlagert sich die Erholung nunmehr stärker in das kommende Jahr.
Die Phase sehr hoher Teuerungsraten ist seit Mitte des vergangenen Jahres ausgestanden. Bei rückläufigen Preisen für Energierohstoffe prägt vor allem der heimische Preisauftrieb das Inflationsgeschehen im Prognosezeitraum. Kennzeichnend dürfte zunächst ein überdurchschnittlicher Anstieg der Dienstleistungspreise bleiben, da diese zuvor deutlich hinter dem allgemeinen Preisauftrieb zurückgeblieben waren und sich nun nach und nach die knappheitsgerechten Preisrelationen wieder einstellen. Zudem machen sich steuerliche Änderungen (Umsatzsteuer auf Gas und in der Gastronomie, CO2-Abgabe) und wegfallende Subventionen (Netzentgelte, Energiepreisbremsen) preiserhöhend bemerkbar. Insgesamt erwarten die Institute einen Anstieg der Verbraucherpreise um 2,3% im laufenden und um 1,8% im kommenden Jahr. Bereinigt um den dämpfenden Effekt der Energiepreise ergeben sich Kerninflationsraten von 2,8% (2024) und 2,3% (2025).
Der insgesamt robuste Arbeitsmarkt wirkt konjunkturstabilisierend, insbesondere mit Blick auf den privaten Konsum. Nicht nur steigen die Löhne nunmehr wieder stärker als die Verbraucherpreise, sondern auch die Beschäftigung zeigt sich trotz der schwachen Konjunktur insgesamt weiterhin fest, wobei wegfallende Arbeitsplätze im Verarbeitenden Gewerbe zuletzt durch einen Beschäftigungsaufbau in den Dienstleistungsbereichen überkompensiert wurden. Gesamtwirtschaftlich ist bedeutsam, dass die realen Lohnstückkosten zwar im Zuge der Lohnanpassungen wieder deutlich zunehmen, über den gesamten Prognosezeitraum hinweg aber beschäftigungsfreundlich bleiben. Im laufenden Jahr dürfte die Zahl der Erwerbspersonen sogar noch etwas steigen, bevor dann im kommenden Jahr allmählich der demografisch bedingte Rückgang einsetzt. Die Arbeitslosigkeit dürfte nur noch geringfügig steigen und bereits ab dem Frühjahr wieder sinken
Die Effektivverdienste werden in den Jahren 2024 und 2025 voraussichtlich um 4,6% bzw. 3,4% zulegen. Damit nehmen die Reallöhne über den gesamten Prognosezeitraum zu und holen die Verluste aus dem Jahr 2022 und dem ersten Halbjahr 2023 langsam wieder auf. Das Niveau von Ende 2021 – also vor dem drastischen Inflationsschub – wird aber voraussichtlich erst im zweiten Quartal 2025 erreicht. Ausgesprochen schwach bleibt die Entwicklung der Arbeitsproduktivität, die nach dem deutlichen Rückgang im vergangenen Jahr im laufenden Jahr nochmals nachgeben dürfte. Ein Grund hierfür könnten qualifikatorische Mismatch-Probleme am Arbeitsmarkt sein. Diese würden zugleich erklären, weshalb die Unternehmen trotz schwacher Auftragslage weiterhin in hohem Maße über mangelnde Arbeitskräfte als Produktionshemmnis klagen.
Bei der Einschätzung der Expansionsspielräume orientieren sich die Institute am gesamtwirtschaftlichen Produktionspotenzial. Hierbei besteht eine erhebliche Schätzunsicherheit. Insbesondere kann das zugrundeliegende Verfahren strukturelle Brüche hinsichtlich der Marktfähigkeit bestehender Produktionsstrukturen nur verzögert erkennen – und zwar dadurch, dass die realisierte Wirtschaftsleistung über einen längeren Zeitraum hinter dem zurückbleibt, was ohne größere Strukturprobleme zu erwarten wäre. Beschleunigt sich der Strukturwandel, so geht dies typischerweise mit einem zwischenzeitlich geringeren Produktionspotenzial einher, weil sich neue Produktionsstrukturen langsamer aufbauen lassen, als bisherige obsolet werden. Nur in der längeren Frist können diese Diskrepanzen nach und nach durch eine Reallokation der Produktionsfaktoren behoben werden. Sind Produktivitätsprobleme regulatorisch bedingt – etwa, weil bürokratische Lasten Arbeitskräfte binden oder mangelnde Technologieoffenheit Innovationen verhindert –, so vollzieht sich die entsprechende Politikkorrektur zumeist auch nur in der längeren Frist, weil sich für ein Umsteuern zunächst ein größerer Problemdruck aufbauen muss.
Seit dem Jahr 2019 haben die Institute ihre Einschätzung über die Entwicklung des Produktionspotenzials – also die bei Normalauslastung mögliche Wirtschaftsleistung – mehrfach erheblich zurückgenommen. So liegt nunmehr der für das laufende Jahr geschätzte Wert um 2,2% unter dem Niveau, das vor fünf Jahren für dieses Jahr erwartet wurde. Mit dem insgesamt niedrigeren Potenzialpfad fallen auch die Expansionsspielräume kleiner aus. Die Unsicherheit über das Potenzialniveau geht somit unmittelbar mit Risiken über den weiteren Konjunkturverlauf einher, wobei derzeit mehr Gründe für ein Über- als ein Unterschätzen der Produktionsmöglichkeiten in der mittleren Frist sprechen.
So geht mit der Dekarbonisierungspolitik ein erheblicher Transformationsprozess einher, im Zuge dessen nicht nur die Energieversorgung, sondern darüber hinaus weite Teile der Produktionsstrukturen umgestellt werden müssen. Dies dämpft gegenüber dem vom Potenzialschätzverfahren ausgewiesenen Niveau die Produktionsmöglichkeiten, wobei das Ausmaß der Effekte hochgradig unsicher ist. Zudem hängen die Effekte stark davon ab, ob die internationale Politikkoordinierung zur Begrenzung von Treibhausgasemissionen gelingt. Diesbezüglich steht ein verlässlicher internationaler Regulierungsrahmen weiterhin aus. Damit steigt das Risiko, sich hierzulande mit emissionsdämpfenden Investitionen zu binden, während der Anreiz für Regulierungsarbitrage zunimmt und Produktion ins Ausland verlagert wird. Dem könnten Innovationen gegenüberstehen, die neue Wachstumschancen bieten.
Auch mit Blick auf strukturelle Veränderungen im Zuge der demografischen Entwicklung bestehen bedeutsame Risiken. Zwar erfasst das Potenzialschätzverfahren die absehbare Entwicklung des Arbeitsvolumens, nicht aber von dessen Zusammensetzung. In dem Maße, wie diese sich schneller verändert als im Stützzeitraum, bleiben entsprechende Produktivitätseffekte außen vor, zumal dann, wenn die Effekte nichtlinear sind. So dürfte eine insgesamt ältere Erwerbsbevölkerung technischen Fortschritt weniger durchgreifend adaptieren als eine jüngere. Auch wandern bislang anteilig weniger Höherqualifizierte zu, als aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Im Ergebnis dürfte sich die Mismatch-Problematik am Arbeitsmarkt weiter verschärfen. In dem Maße, wie seitens der Politik die Folgen des demografischen Wandels im gesetzlichen Alterssicherungssystem stärker zu Lasten der aktiven Erwerbstätigen abgefangen werden sollen, dürfte zudem der Anreiz für qualifizierte Zuwanderung für sich genommen weiter sinken.
Ferner erfordert die über Jahrzehnte vernachlässige öffentliche Infrastruktur – insbesondere mit Blick auf das Straßen- und Schienennetz – in den kommenden Jahren vermehrte Instandhaltungsinvestitionen. Während der nun nachzuholenden Sanierungsmaßnahmen sinken aber die Transportkapazitäten der entsprechenden Verkehrsnetze trotz des rechnerisch ausgewiesenen höheren gesamtwirtschaftlichen Kapitalstocks, der erst später potenzialwirksam werden wird.
Unklar ist auch, wie sehr eine steigende Regulierungsdichte – etwa zunehmende Berichtspflichten für Nachhaltigkeitskriterien, Lieferkettenüberwachung und Taxonomie-Vorgaben – auf die gesamtwirtschaftliche Leistungsfähigkeit durchschlägt. Wie bei anderen wichtigen Standortfaktoren – etwa den Energiekosten – ist hierfür nicht nur die zeitliche Entwicklung hierzulande bzw. im europäischen Binnenmarkt ausschlaggebend, sondern die Entwicklung relativ zu den Bedingungen in der übrigen Welt.
Neben all diesen schwer zu quantifizierenden Einflüssen auf das Produktionspotenzial bestehen konjunkturelle Risiken. Hierbei treten neben weltwirtschaftliche Unwägbarkeiten auch binnenwirtschaftliche Risiken. So ist unsicher, ob sich die hohen Krankenstände wie unterstellt im Verlauf des Prognosezeitraums zurückbilden. Gelingt dies rascher, könnten Engpässe am Arbeitsmarkt schneller überwunden werden und so früher mehr wirtschaftliche Dynamik entstehen. Freilich ist auch denkbar, dass die erhöhten Krankenstände noch länger andauern als in dieser Prognose angenommen. Ferner ist der hohe Auftragsbestand in der Industrie bislang nicht im erwarteten Maße produktionswirksam geworden. Sollten von dieser Seite doch noch stärkere Impulse ausgehen, könnte die Erholung etwas rascher einsetzen bzw. stärker ausfallen als hier unterstellt. Schließlich lastet die Politikunsicherheit weiterhin auf der Investitionstätigkeit. Sollte rasch Klarheit über den wirtschaftspolitischen Kurs herrschen, könnte sich der Attentismus bei den Unternehmen abschwächen und die Investitionstätigkeit schneller Tritt fassen.
Wirtschaftspolitisch empfehlen die Institute eine behutsame Reform der Schuldenbremse. Im Grundsatz unterstützen sie den von der Deutschen Bundesbank vorgelegten Vorschlag und regen an, nach einer gesamtwirtschaftlichen Notlage, für die die Ausnahmeklausel aktiviert wurde, den Übergang zur regulären Defizitbegrenzung nicht länger abrupt, sondern stufenweise erfolgen zu lassen. Eine solches regelgebundenes Wiederscharfstellen trüge den ökonomischen Nachwehen adverser Schocks Rechnung und würde auch über eine bessere Vorhersehbarkeit der Finanzpolitik stabilisierend wirken. Zudem könnten Budgetpositionen, die während der energetischen Transformationsphase an Gewicht gewinnen (CO2-Abgaben, EEG-Subventionen), in dem Maße im Konjunkturbereinigungsverfahren berücksichtigt werden, wie sie sich als konjunkturreagibel erweisen. Dies würde die automatischen Stabilisatoren stärken. Auch wenn damit maßvolle Modifikationen der Schuldenbremse sinnvoll erscheinen, hängen Wohl und Wehe des Standorts Deutschland aus Sicht der Institute nicht davon ab. Insbesondere zeigt sich kein systematischer Zusammenhang zwischen der Fiskalregel und dem staatlichen Investitionsgebahren.
Wichtiger als eine Ausweitung der gesamtstaatlichen Verschuldungskapazität wäre eine Neugestaltung der Finanzverfassung (Förderalismusreform III). Diese müsste zum Ziel haben, die kommunalen Investitionen, die gut 40% der gesamten öffentlichen Investitionen ausmachen, von kurzfristigen Haushaltsnöten abzuschirmen und die konjunkturellen Schwankungen nur bei Bund und Ländern durchschlagen zu lassen. Die Einnahmen der Kommunen ließen sich etwa durch einen Hebesatz auf die Einkommenssteuer anstelle der Gewerbesteuer weniger konjunkturreagibel gestalten. Damit eine solche durchgreifende Finanzreform nicht an den fiskalischen Unwägbarkeiten einzelner Haushaltsjahre scheitert, sollte bei ihrem Inkrafttreten übergangsweise eine Ausnahme von der Schuldenregel zugelassen werden.