Wie Arbeitsplatzzusagen die Unternehmensdynamiken beeinflussen
Arbeitsplatzzusagen stellen eine häufig genutzte industriepolitische Maßnahme dar. Die zugrundeliegende Studie evaluiert die Wirkungen von Arbeitsplatzzusagen zum Zeitpunkt der Privatisierung der Unternehmen in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung. Diese industriepolitische Maßnahme verlangte von den neuen Eigentümern der Unternehmen, sich zu Beschäftigungszielen zu verpflichten, wobei Strafen für Nichteinhaltung vertraglich vereinbart waren. Die Studie zeigt, dass Arbeitsplatzzusagen zu einer Polarisierung und Fehlallokation führen. Während Unternehmen mit geringer Produktivität aus dem Markt gedrängt werden, führt das industriepolitische Instrument zu Verzerrungen in der Unternehmensgröße. Um diese Verzerrungen abzubauen, haben Unternehmen einen Anreiz, in Produktivität zu investieren. Im Vergleich mit produktivitätssteigernden Subventionen zeigen sich Arbeitsplatzzusagen langfristig als weniger nachhaltig und generieren geringere Beschäftigungseffekte.
23. December 2024
https://doi.org/10.18717/wwn7v8-nr15
Industriepolitische Maßnahmen stellen oft die Förderung und den Schutz von Beschäftigung in den Mittelpunkt ihrer Gestaltung. Dies ist besonders häufig in Zeiten von strukturellem Wandel der Fall. Eine wichtige, aber wenig erforschte industriepolitische Maßnahme macht die öffentliche Unterstützung für Unternehmen von Beschäftigungszielen abhängig. Maßnahmen mit Beschäftigungszielen sind in wirtschaftspolitischen Debatten weltweit von großer Bedeutung und umfassen Unterstützungsmaßnahmen, beispielsweise bei Initiativen wie dem Paycheck Protection Program (PPP) in den USA während und nach der COVID-19-Pandemie und der in Deutschland vorhandenen Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GRW). Auch beim Kohleausstieg in Deutschland sind Förderungszusagen an Beschäftigungsziele gebunden.
Dieser Beitrag – basierend auf einer Studie von Akcigit et al. (2024)1 – stellt dar, dass Beschäftigungsziele heterogene dynamische Auswirkungen auf das Verhalten von Unternehmen haben. Es zeigt sich, dass Arbeitsplatzzusagen die Kosten der Unternehmen strukturell erhöhen und so zu einer Polarisierung und zu Fehlallokationen führen. Für Unternehmen mit geringer Produktivität stellen Arbeitsplatzvereinbarungen derart hohe Kosten dar, dass die Unternehmensgewinne negativ werden. Diese treten aus dem Markt aus, mit negativen Auswirkungen auf Beschäftigung. Ein anderer Teil der Unternehmen, die weiterhin produzieren, werden in ihrer Wahl der Unternehmensgröße verzerrt. Aufgrund von drohenden Strafzahlungen beschäftigen die Unternehmen mehr Personal als deren optimale Unternehmensgröße ergeben würde. Nach Ablauf der Vertragslaufzeit wird ein Teil der zusätzlichen Beschäftigung abgebaut. Allerdings generieren Arbeitsplatzzusagen auch positive dynamische Produktivitätseffekte bei den verbleibenden Unternehmen. Um die zukünftige Unternehmensgröße mit geringen Kosten zu erreichen, haben Unternehmen einen Anreiz, in Produktivität zu investieren. Aufgrund dieser Produktivitätssteigerungen kommt es nicht zum vollständigen Abbau der zusätzlichen Beschäftigung. Im Aggregat können Arbeitsplatzzusagen demnach zu einem langfristigen Anstieg der Beschäftigung führen.
Die empirische Relevanz dieser Mechanismen kann mit Daten von ostdeutschen Unternehmen nach der Privatisierung durch die Treuhandanstalt bestätigt werden. Die Kosten der Fehlallokation durch wirtschaftspolitisch eingeforderte Arbeitsplatzzusagen sind jedoch deutlich. Wäre es zu Produktivitätssteigerungen der Unternehmen aufgrund von Subventionen gekommen, hätte der permanente Beschäftigungseffekt doppelt so hoch ausfallen können.
Institutioneller Rahmen
Gegründet im März 1990 unter dem letzten kommunistischen Regime in Ostdeutschland, erhielt die Treuhandanstalt (THA) im Juli 1990 durch das Treuhandgesetz größere Befugnisse. Mit der Aufgabe, die Unternehmen zu verwalten und zu privatisieren, die zuvor im Besitz der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) waren, wurde die THA zur größten Holding der Welt. Sie umfasste ein Portfolio von rund 12 000 Unternehmen mit etwa 4,5 Millionen Beschäftigten, was etwa 50% der erwerbstätigen Bevölkerung in der DDR entsprach.
Privatisierungen durch die THA erfolgten sowohl als Privatisierung ganzer Unternehmen als auch durch Ausgliederungen infolge von Umstrukturierungen und Liquidationen. Das Standardverfahren der Privatisierung erfolgte durch Direktverkäufe an interessierte Käufer. Strukturierte Auktionen fanden eher in Ausnahmefällen statt, zum Beispiel für kleine Management-Buy-Out-Privatisierungen (Schmidt, 19932). Innerhalb des Verkaufsprozesses war die Rolle und Freiheit, die dem zuständigen Privatisierer zugewiesen wurde, erheblich. In den offiziellen Handbüchern, die von den Mitarbeitern der THA verwendet wurden, wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Verkaufsprozess vom Privatisierer gesteuert werden soll und dass die Gewichtung der Komponenten jedes Angebots keiner starren Formel unterlag.
Verkaufsverträge wurden so gestaltet, dass sie neben dem Verkaufspreis Garantien der Käufer hinsichtlich Beschäftigungs- und Investitionsniveaus enthielten. In der Praxis war das Ziel des Verkaufsprozesses nicht unbedingt die Maximierung des Verkaufspreises, sondern vielmehr die Sicherstellung von Beschäftigungsniveaus des privatisierten Unternehmens. Diese Sicherstellung erfolgte durch verbindliche Arbeitsplatzzusagen, die für einen vereinbarten Zeitraum aufrechterhalten werden sollten. Obwohl solche Verpflichtungen zu Kaufpreisvergünstigungen führen konnten, variierte der Bewertungsprozess für jeden Fall, ohne einer festen Formel zu folgen (Dodds, Wächter, 19933). Die Verpflichtung bezog sich speziell auf den erworbenen Betrieb und konnte nicht erfüllt werden, indem Personen in anderen Betrieben des Käufers beschäftigt wurden (Siebert, 19914; Fischer et al., 19935). Ebenso stellten diese Verpflichtungen Unternehmensverträge dar und waren daher bei einem Firmenverkauf weiterhin gültig.
Die eingegangenen Verpflichtungen umfassten Vertragsstrafen bei Nichteinhaltung und wurden durch das THA-Vertragsmanagement kontrolliert. Die Strafen waren so konzipiert, dass sie den Personalkosten unter Berücksichtigung der branchenüblichen Löhne entsprachen. Wenn beispielsweise ein Unternehmen kontinuierlich einen Mitarbeiter über einen Vertragszeitraum von drei Jahren nicht besetzt, hat das Unternehmen insgesamt drei Verpflichtungen nicht eingehalten und muss dreimal die Strafe pro verpassten Arbeitsplatz zahlen. Die effektiven Strafzahlungen können jedoch aufgrund von Neuverhandlungen, Bagatellfällen und gerichtlichen Entscheidungen niedriger ausfallen.
Datenverfügbarkeit
Der empirischen Analyse liegt ein Datensatz aus dem Bundesarchiv zugrunde, der alle Dokumente enthält, die von der THA erstellt wurden. Insgesamt liegen für über 18 000 Privatisierungsverträge Arbeitsplatzverpflichtungen vor, die etwa 900 000 Arbeitnehmer in Ostdeutschland umfassen. Die durchschnittliche Dauer, in der die Zusagen eingehalten werden mussten, umfasste rund 3,3 Jahre. Diese Verträge würden insbesondere zwischen den Jahren 1991 bis 1993 geschlossen. Die Daten enthalten weiterhin detaillierte Informationen zu allen Beschäftigungszielen und -fristen. Alle geschlossenen Verträge wurden einer regelmäßigen Überprüfung unterzogen, die von Vertragsmanagern der THA durchgeführt wurden.
Arbeitsplatzzusagen und Unternehmensentwicklung
Abbildung 1 zeigt das Beschäftigungswachstum nach dem Verhältnis der vereinbarten Zielgröße zur Anfangsgröße der Unternehmen. Unternehmen unter dem Wert von 1 sind vertraglich verpflichtet zu wachsen, während Unternehmen über dem Wert von 1 zu Beginn der Vertragslaufzeit größer sind als die vereinbarte Mindestgröße zum Endzeitpunkt des Vertrags. Die Abbildung zeigt, dass eine vertragliche Verpflichtung zum Wachsen dazu führte, dass Unternehmen gewachsen sind. Je stärker die Wachstumsverpflichtung war, desto stärker zeigt sich auch die Beschäftigungswachstumsrate. Diese Ergebnisse deuten zunächst darauf hin, dass – aufgrund der Vertragsstrafen – die Arbeitsplatzzusagen eingehalten wurden.
Wie die Autoren in der Studie zeigen, kam es auch zu Vertragsverletzungen mit anschließender Neuverhandlung von Vereinbarungen oder effektiven Strafzahlungen.
Höheres Beschäftigungswachstum stellt jedoch nur einen Teil der entstandenen Polarisierung dar. Für Unternehmen mit geringer Produktivität führen Arbeitsplatzzusagen zu negativen Unternehmensgewinnen und somit zu einem Austritt aus dem Markt. Abbildung 2 zeigt die Marktaustrittsraten. Der erhöhte Marktaustritt ist insbesondere für Unternehmen sichtbar, die deutliche Wachstumszusagen (Verhältnis von Anfangsgröße zum Beschäftigungsziel kleiner als 1) eingegangen sind.
Hätte sich die Verbindung von Arbeitsplatzzusagen zu Marktaustrittsraten bei den Werten von über 1 (blaue Line in Abbildung 2) fortgesetzt, würden sich in der Projektion (orange Line) deutlich geringe Austrittraten ergeben. Die tatsächlichen Marktaustritte (schwarze Line) liegen demnach deutlich über den erwarteten Austrittsraten.
Neben diesen direkten allokativen Implikationen haben Unternehmen, die nicht aus dem Markt austreten, einen Anreiz ihre Produktivität zu steigern. Der Grund hierfür liegt in der Tatsache begründet, dass produktivere Unternehmen größer sind und demnach einen Teil der zukünftig vertraglich vereinbarten Unternehmensgröße gerechtfertigt wird und Kosten der Fehlallokation abgebaut werden können. Der untere Teil der Abbildung 2 zeigt, dass das Produktivitätswachstum für Unternehmen, die anfänglich kleiner waren als vertraglich vereinbart, stärker ausfällt.
Alternative Politikmaßnahmen und langfristige Überlegungen
Die Zusammenführung der empirischen Ergebnisse mit einem strukturellen Modellrahmen erlaubt es, eine alternative wirtschaftspolitische Maßnahme als Vergleich heranzuziehen, um so Implikationen zu den Kosten der Fehlallokation abzuleiten. Statt der vertraglichen Verpflichtung zu Arbeitsplatzzusagen, sollen produktivitätssteigernde Subventionen als Alternative betrachtet werden. Dabei ist zu beachten, dass hier keine Kapital- oder Beschäftigungssubventionen gemeint sind, sondern Subventionen, die die Produktivität direkt betreffen. Die Subventionen werden dabei so kalibriert, dass sich die gleichen Beschäftigungsergebnisse zum Ende der Vertragslaufzeit (rund 3,3 Jahre) generieren würden. Die Diskussion erfolgt demnach anhand von kurzfristigen und langfristigen Unterschieden in der Beschäftigungswirkung.
Die schwarze Linie in Abbildung 3 zeigt zunächst die Beschäftigungsentwicklung bis zu zehn Jahren nach Vertragsbeginn. Der aggregierte Beschäftigungseffekt ist, insbesondere aufgrund der gestiegenen Produktivität, positiv und beläuft sich zehn Jahre nach Vertragsbeginn bei etwa 15% höherer Beschäftigung als im Vergleich zum Szenario ohne Arbeitsplatzzusagen. Ohne diesen Produktivitätseffekt (rote gestrichelte Linie) wäre es langfristig zu keinem Beschäftigungsanstieg gekommen. Der Grund hierfür ist, dass sich die optimale Unternehmensgröße ohne den dynamischen Produktivitätseffekt nicht verändert und die Beschäftigung nach Vertragsende entsprechend abgebaut wird.
Die blau gestrichelte Line zeigt den Vergleich der alternativen Subventionspolitik. Innerhalb der ersten zwei Jahre generiert die Subventionsalternative weniger Beschäftigung, da die Produktivitätssteigerung Zeit benötigt. Kurzfristig besteht der starke Beschäftigungsanstieg demnach vollständig aus dem Horten von Arbeitskräften und stellt eine reine Fehlallokation von Arbeitskräften dar. Aufgrund des natürlichen Anstiegs der Produktivität kommt es, im Vergleich zum Instrument der Arbeitsplatzzusagen, langfristig jedoch zu einem deutlich höheren Beschäftigungs- niveau. Dieses Ergebnis deutet auf die kurzsichtige Organisationsstruktur der THA hin, die aufgrund der hohen und steigenden Arbeitslosigkeit und sozialen Unruhen das kurzfristige Ziel der Beschäftigungsstabilisierung verfolgte.
Die vorliegende Analyse stellt einen systematischen Befund für ein bekanntes wirtschaftspolitisches Dilemma dar. Die kurzfristige Konzentration auf Beschäftigung kann zu Fehlallokationen führen und demnach auf Kosten einer langfristig prosperierenden Entwicklung gehen.
Endnoten
1 Akcigit, U.; Alp, H.; Diegmann, A.; Serrano-Velarde, N.: Committing to Grow: Employment Targets and Firm Dynamics. IWH-Diskussionspapier 17/2023. Halle (Saale) 2024.
2 Schmidt, R.: Zwischenbilanz : Analysen zum Transformationsprozess der ostdeutschen Industrie. Akademischer Verlag. Berlin, 1993.
3 Dodds, P.; Wächter, G.: Privatization Contracts with the German Treuhandanstalt: An Insiders’ Guide, in: The International Lawyer, Vol. 27, (1), 1993, 65–90.
4 Siebert, H.: German Unification: the Economics of Transition, in: Economic Policy, Vol. 6 (13), 1991, 287–340.
5 Fischer, W.; Hax, H.; Schneider, H. K.: Treuhandanstalt: Das Unmögliche wagen: Forschungsberichte “Die Entstehung der Treuhandanstalt” und “Strategien der Privatisierung”. De Gruyter Akademie Forschung, 1993.