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Wie Roboter die betriebliche Beschäftigungsstruktur verändern

Der Einsatz von Robotern verändert die Arbeitswelt grundlegend – doch welche spezifischen Effekte hat dies auf die Beschäftigungsstruktur? Unsere Analyse untersucht die Folgen des Robotereinsatzes anhand neuartiger Mikrodaten aus deutschen Industriebetrieben. Diese Daten verknüpfen Informationen zum Robotereinsatz mit Sozialversicherungsdaten und detaillierten Angaben zu Arbeitsaufgaben. Auf Basis eines theoretischen Modells leiten wir insbesondere positive Beschäftigungseffekte für Berufe mit wenig repetitiven, programmierbaren Aufgaben ab, sowie für jüngere Arbeitskräfte, weil diese sich besser an technologische Veränderungen anpassen können. Die empirische, mikroökonomische Analyse des Robotereinsatzes auf Betriebsebene bestätigt diese Vorhersagen: Die Beschäftigung steigt für Techniker, Ingenieure und Manager und junge Beschäftigte, während sie bei geringqualifizierten Routineberufen sowie bei Älteren stagniert. Zudem steigt die Fluktuation bei geringqualifizierten Arbeitskräften signifikant an. Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass der Verdrängungseffekt von Robotern berufsabhängig ist, während junge Arbeitskräfte neue Tätigkeiten übernehmen.

24. March 2025

Authors Steffen Müller Verena Plümpe

Contents
Page 1
Technologischer Fortschritt und Arbeitsnachfrage
Page 2
Daten und empirische Analyse
Page 3
Schlussfolgerungen
Page 4
Endnoten All on one page

Technologischer Fortschritt und Arbeitsnachfrage

Die Auswirkungen neuer Technologien auf den Arbeitsmarkt zählen zu den ältesten und kontroversesten Themen der Wirtschaftswissenschaften. Die Diskussion steht im Spannungsfeld zwischen positiven Wachstumsimpulsen und sozialökonomischen Lasten für die Verlierer des Strukturwandels. Bereits zu Beginn der Industrialisierung wehrten sich englische Textilarbeiter in gewaltsamen Aufständen gegen neue Technologien und zerstörten Maschinen (so gennante Luddisten, Maschinenstürmer). Mit den jüngsten Fortschritten in der Robotik hat diese Diskussion wieder an Relevanz gewonnen. Optimisten sehen in Robotern eine Lösung für den zunehmenden Arbeitskräftemangel in alternden Gesellschaften, während Pessimisten befürchten, dass die Technologie vor allem gut bezahlte Mittelklassejobs in bislang ungekanntem Ausmaß verdrängen könnte.1

Ob Roboter eine Bedrohung oder eine Chance für den Arbeitsmarkt darstellen, hängt maßgeblich davon ab, ob sie menschliche Arbeitskraft ersetzen oder ergänzen. Anstatt nur auf den Gesamtbeschäftigungseffekt zu schauen, interessieren wir uns in unserer Studie2 für den Effekt auf die Belegschaftszusammensetzung.3 Dies ist wichtig, da Roboter in erster Linie Berufe ersetzen werden, die am leichtesten automatisierbar sind (Substitute), während sie andere Berufe produktiver und damit begehrter machen (Komplemente). Der Blick auf heterogene Arbeitsmarkteffekte von Robotik ist auch deswegen wichtig, weil die erhoffte Lösung des Fachkräftemangels durch Robotik erfordern würde, dass Roboter knapper werdende junge Beschäftigte ersetzen können.

Unsere Studie geht diesen Fragen anhand detaillierter Daten auf Betriebsebene nach. Diese Daten ermöglichen es, die technologischen Beziehungen zwischen Robotern und verschiedenen Arbeitskräftegruppen direkt in den Produktionsprozessen zu analysieren. Dadurch rücken mikroökonomische Mechanismen in den Vordergrund, die in aggregierten Analysen – etwa auf Ebene lokaler Arbeitsmärkte – oft durch wettbewerbsbedingte Dynamiken zwischen Betrieben überlagert werden.

Theoretischer Rahmen

Unsere empirische Analyse basiert auf einem theoretischen, partiellen Gleichgewichtsmodell, das beschreibt, wie der Robotereinsatz die innerbetriebliche Arbeitsnachfrage durch Verdrängungs-, Produktivitäts- und Wiederherstellungseffekte beeinflusst.4 Dabei wird berücksichtigt, dass Roboter primär manuelle Routinetätigkeiten ersetzen. Dies liegt an technologischen Beschränkungen, da Roboter vor allem hochstandardisierte und programmierbare Aufgaben ausführen können. Da der Anteil manueller Routinetätigkeiten zwischen Berufsgruppen variiert, prognostiziert unser Modell unterschiedliche Beschäftigungseffekte je nach Berufsgruppe.

Darüber hinaus berücksichtigt das Modell die altersspezifische Kompatibilität von Arbeitskräften mit neuen Technologien. Jüngere Arbeitskräfte zeichnen sich häufig durch höhere Lernfähigkeit, Flexibilität und eine aktuellere Ausbildung aus, während ältere Arbeitskräfte von kristalliner Intelligenz und Erfahrung profitieren.5 Da der Robotereinsatz nicht nur Tätigkeiten ersetzt, sondern auch neue Aufgaben schafft, gelten junge Arbeitskräfte als komplementär zu neuen Technologien und profitieren laut unserem Modell im Vergleich zu anderen Altersgruppen stärker.

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Daten und empirische Analyse

Suggested Reading

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Robots, Occupations, and Worker Age: A Production-unit Analysis of Employment

Liuchun Deng Steffen Müller Verena Plümpe Jens Stegmaier

in: European Economic Review, November 2024

Abstract

We analyse the impact of robot adoption on employment composition using novel micro data on robot use in German manufacturing plants linked with social security records and data on job tasks. Our task-based model predicts more favourable employment effects for the least routine-task intensive occupations and for young workers, with the latter being better at adapting to change. An event-study analysis of robot adoption confirms both predictions. We do not find adverse employment effects for any occupational or age group, but churning among low-skilled workers rises sharply. We conclude that the displacement effect of robots is occupation biased but age neutral, whereas the reinstatement effect is age biased and benefits young workers most.

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Also in this issue

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Kehrt das Inflationsgespenst zurück? - ein Kommentar

Reint E. Gropp

in: Wirtschaft im Wandel, No. 1, 2025

Abstract

<p>Zur Erinnerung: Nach Jahren von Inflationsraten nahe null war die Inflationsrate in Deutschland 2022 nach der Corona-Pandemie und dem Überfall Russlands auf die Ukraine auf knapp 7% gestiegen, ähnlich hoch wie zur Energiekrise 1973/74. Die Gründe dafür sind bekannt: expansive Geld- und Finanzpolitik sowie steigende Energiepreise und Nachholeffekte beim Konsum, verbunden mit Lieferkettenproblemen gerade im Handel mit China. Seitdem haben Zentralbanken wie die EZB eine weiche Landung hingelegt. Ohne große Verluste beim Wachstum (zumindest global gesehen) wurde die Inflationsrate auf 1,6% im September 2024 gedrückt. Ein großer Erfolg?</p>

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Aktuelle Trends: Zahl der insolventen Personen- und Kapitalgesellschaften auf 15-Jahres-Hoch

Steffen Müller

in: Wirtschaft im Wandel, No. 1, 2025

Abstract

<p>Wer derzeit in den Medien häufig von einer „Insolvenzwelle“ liest, könnte angesichts der Zahl der Unternehmensinsolvenzen überrascht sein: Trotz eines deutlichen Anstiegs liegen diese aktuell auf einem moderaten Niveau und deutlich unter den Werten der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009 (siehe Abbildung). Ein genauerer Blick zeigt jedoch wichtige Details.</p>

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Inflation und Nachhaltigkeit: Wie sich Inflationssorgen auf den Kauf von Bio-Produkten auswirken

Sabrina Jeworrek Lena Tonzer Matti Witte

in: Wirtschaft im Wandel, No. 1, 2025

Abstract

<p>Der Klimawandel und die übermäßige Nutzung natürlicher Ressourcen stellen große Herausforderungen für eine nachhaltige Entwicklung auf der Erde dar. Auf Seite der Unternehmen besteht die Herausforderung darin, Wege zu finden, wie sie Ressourcen schonen und Emissionen senken können. Die Verbraucher wiederum haben über ihr Konsumverhalten Einfluss darauf, welche Produkte Unternehmen überhaupt absetzen können. Nachhaltiger Konsum ist somit ein wichtiger Baustein in der grünen Transformation. In einer jüngst als IWH-Diskussionspapier erschienenen Studie wird untersucht, inwiefern Inflationssorgen den Kauf von Bio-Produkten beeinflussen. Gerade in Zeiten stark steigender Preise könnte die Sorge über das eigene Budget die Sorgen über Klimawandel und Nachhaltigkeit in den Hintergrund treten lassen und sich somit negativ auf den Konsum von oft relativ teuren Bio-Produkten auswirken. Die Ergebnisse der Studie basieren auf einer Befragung von rund 1 200 Teilnehmenden sowie einem Feldexperiment zum tatsächlichen Einkaufsverhalten mit circa 500 Teilnehmenden. Die Ergebnisse zeigen, dass gerade Teilnehmende mit vergleichsweise geringerem Umweltbewusstsein und, damit einhergehend, sowieso schon niedrigerem Anteil an nachhaltigen Produkten nochmals erheblich weniger nachhaltige Produkte konsumieren, sobald sie mit Inflationssorgen konfrontiert werden.</p>

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