
Wie Roboter die betriebliche Beschäftigungsstruktur verändern
Der Einsatz von Robotern verändert die Arbeitswelt grundlegend – doch welche spezifischen Effekte hat dies auf die Beschäftigungsstruktur? Unsere Analyse untersucht die Folgen des Robotereinsatzes anhand neuartiger Mikrodaten aus deutschen Industriebetrieben. Diese Daten verknüpfen Informationen zum Robotereinsatz mit Sozialversicherungsdaten und detaillierten Angaben zu Arbeitsaufgaben. Auf Basis eines theoretischen Modells leiten wir insbesondere positive Beschäftigungseffekte für Berufe mit wenig repetitiven, programmierbaren Aufgaben ab, sowie für jüngere Arbeitskräfte, weil diese sich besser an technologische Veränderungen anpassen können. Die empirische, mikroökonomische Analyse des Robotereinsatzes auf Betriebsebene bestätigt diese Vorhersagen: Die Beschäftigung steigt für Techniker, Ingenieure und Manager und junge Beschäftigte, während sie bei geringqualifizierten Routineberufen sowie bei Älteren stagniert. Zudem steigt die Fluktuation bei geringqualifizierten Arbeitskräften signifikant an. Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass der Verdrängungseffekt von Robotern berufsabhängig ist, während junge Arbeitskräfte neue Tätigkeiten übernehmen.
24. March 2025
https://doi.org/10.18717/wwfyns-ep75
Technologischer Fortschritt und Arbeitsnachfrage
Die Auswirkungen neuer Technologien auf den Arbeitsmarkt zählen zu den ältesten und kontroversesten Themen der Wirtschaftswissenschaften. Die Diskussion steht im Spannungsfeld zwischen positiven Wachstumsimpulsen und sozialökonomischen Lasten für die Verlierer des Strukturwandels. Bereits zu Beginn der Industrialisierung wehrten sich englische Textilarbeiter in gewaltsamen Aufständen gegen neue Technologien und zerstörten Maschinen (so gennante Luddisten, Maschinenstürmer). Mit den jüngsten Fortschritten in der Robotik hat diese Diskussion wieder an Relevanz gewonnen. Optimisten sehen in Robotern eine Lösung für den zunehmenden Arbeitskräftemangel in alternden Gesellschaften, während Pessimisten befürchten, dass die Technologie vor allem gut bezahlte Mittelklassejobs in bislang ungekanntem Ausmaß verdrängen könnte.1
Ob Roboter eine Bedrohung oder eine Chance für den Arbeitsmarkt darstellen, hängt maßgeblich davon ab, ob sie menschliche Arbeitskraft ersetzen oder ergänzen. Anstatt nur auf den Gesamtbeschäftigungseffekt zu schauen, interessieren wir uns in unserer Studie2 für den Effekt auf die Belegschaftszusammensetzung.3 Dies ist wichtig, da Roboter in erster Linie Berufe ersetzen werden, die am leichtesten automatisierbar sind (Substitute), während sie andere Berufe produktiver und damit begehrter machen (Komplemente). Der Blick auf heterogene Arbeitsmarkteffekte von Robotik ist auch deswegen wichtig, weil die erhoffte Lösung des Fachkräftemangels durch Robotik erfordern würde, dass Roboter knapper werdende junge Beschäftigte ersetzen können.
Unsere Studie geht diesen Fragen anhand detaillierter Daten auf Betriebsebene nach. Diese Daten ermöglichen es, die technologischen Beziehungen zwischen Robotern und verschiedenen Arbeitskräftegruppen direkt in den Produktionsprozessen zu analysieren. Dadurch rücken mikroökonomische Mechanismen in den Vordergrund, die in aggregierten Analysen – etwa auf Ebene lokaler Arbeitsmärkte – oft durch wettbewerbsbedingte Dynamiken zwischen Betrieben überlagert werden.
Theoretischer Rahmen
Unsere empirische Analyse basiert auf einem theoretischen, partiellen Gleichgewichtsmodell, das beschreibt, wie der Robotereinsatz die innerbetriebliche Arbeitsnachfrage durch Verdrängungs-, Produktivitäts- und Wiederherstellungseffekte beeinflusst.4 Dabei wird berücksichtigt, dass Roboter primär manuelle Routinetätigkeiten ersetzen. Dies liegt an technologischen Beschränkungen, da Roboter vor allem hochstandardisierte und programmierbare Aufgaben ausführen können. Da der Anteil manueller Routinetätigkeiten zwischen Berufsgruppen variiert, prognostiziert unser Modell unterschiedliche Beschäftigungseffekte je nach Berufsgruppe.
Darüber hinaus berücksichtigt das Modell die altersspezifische Kompatibilität von Arbeitskräften mit neuen Technologien. Jüngere Arbeitskräfte zeichnen sich häufig durch höhere Lernfähigkeit, Flexibilität und eine aktuellere Ausbildung aus, während ältere Arbeitskräfte von kristalliner Intelligenz und Erfahrung profitieren.5 Da der Robotereinsatz nicht nur Tätigkeiten ersetzt, sondern auch neue Aufgaben schafft, gelten junge Arbeitskräfte als komplementär zu neuen Technologien und profitieren laut unserem Modell im Vergleich zu anderen Altersgruppen stärker.
Daten und empirische Analyse
Zur Überprüfung unserer Modellvorhersagen nutzen wir Daten deutscher Produktionsbetriebe vor und nach der Einführung von Robotern. Dabei vergleichen wir die Beschäftigungsentwicklung in Betrieben mit und ohne Roboter über einen Zeitraum von drei Jahren vor bis ein Jahr nach der erstmaligen Robotereinführung. Die verwendeten Modelle (Ereignisstudien) lassen zu, dass sich Betriebe, die Roboter einführen, von denen, die keine Roboter einführen, in beobachtbaren und unbeobachtbaren Merkmalen unterscheiden dürfen. Wichtig für die Belastbarkeit unserer Ergebnisse ist, dass sich beide Gruppen im Beobachtungszeitraum gleich entwickelt hätten, auch wenn keine Roboter eingeführt worden wären.
Für die empirische Analyse kombinieren wir repräsentative Befragungsdaten zum Robotereinsatz mit Sozialversicherungsdaten über die dort beschäftigten Arbeitskräfte sowie detaillierte Tätigkeitsprofile der Berufsgruppen.6 Diese granularen Daten ermöglichen eine präzise Analyse, welche Berufs- und Altersgruppen durch den Robotereinsatz mehr oder weniger benötigt werden.
Unsere zentralen abhängigen Variablen sind die Gesamtbeschäftigung sowie die Beschäftigtenzahlen in spezifischen Berufs- und Altersgruppen. Für die Berufskategorisierung nutzen wir das weit verbreitete Schema von Blossfeld (1987),7 das auf den Anforderungsniveaus der Tätigkeiten basiert. Wir betrachten folgende Berufskategorien im Detail: (1) Arbeiter mit einfachen manuellen Aufgaben, (2) Arbeiter mit qualifizierten manuellen Aufgaben, (3) Ingenieure und Techniker und (4) Manager.8 Zusätzlich definieren wir drei Altersgruppen: junge (20-34 Jahre), mittelalte (35-54 Jahre) und ältere Arbeitskräfte (55-65 Jahre).
Bevor wir die Regressionsanalyse durchführen, nutzen wir die Daten zu Tätigkeitsprofilen, um Berufs- und Altersgruppen anhand ihres Anteils an Routinetätigkeiten zu klassifizieren. Wie erwartet, weist die Kategorie der einfachen manuellen Tätigkeiten den höchsten Anteil an Routinetätigkeiten auf. Der Routineanteil liegt bei Technikern, Ingenieuren und Managern um etwa 60% niedriger. Somit lässt das theoretische Modell erwarten, dass Verdrängungseffekte eher bei einfachen manuellen Tätigkeiten zu erwarten sind, während Hochqualifizierte von der höheren Produktivität des Unternehmens profitieren können. Das Modell lässt offen, ob der Gesamteffekt aus Verdrängungs- und Produktivitätseffekten für die Gruppe mit einfachen manuellen Tätigkeiten positiv oder negativ ist, aber es sagt deutlich vorher, dass der Gesamteffekt für diese Gruppe negativer ist als für die anderen Gruppen. Die deskriptive Analyse zeigt zudem, dass der Anteil der Routinetätigkeiten innerhalb der Berufe nicht altersabhängig ist. Es gibt zudem keine altersspezifische Sortierung in die Berufskategorien. Daher ist der Verdrängungseffekt altersneutral. Da der Produktivitätseffekt ebenfalls altersneutral ist, schreibt das Modell jedwede Heterogenität der empirischen Befunde nach Alter (siehe nächster Abschnitt) dem „Wiederherstellungseffekt“ (reinstatement effect oder new task channel) zu, womit Acemoglu und Restrepo (2018) die Entstehung neuer Tätigkeiten durch Roboter meinen.
Roboter ersetzen einfache manuelle Tätigkeiten und erhöhen die Nachfrage nach hochqualifizierten und jungen Beschäftigten
Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Robotereinsatz sowohl die Gesamtbeschäftigung als auch die Beschäftigungsstruktur signifikant beeinflusst. Die Einführung von Robotern ist in den untersuchten Betrieben mit einem Beschäftigungsanstieg von 5% gegenüber der Vergleichsgruppe verbunden (vgl. Tabelle 1). Der Beschäftigungsanstieg geht mit deutlich gestiegener Fluktuation einher und ist vor allem durch vermehrte Neueinstellungen (+24%) und moderat gestiegene Abgänge bei Berufsgruppen mit hohem Anteil manueller Routinetätigkeiten erklärbar. Für keine der untersuchten Berufskategorien oder Altersgruppen konnten negative Beschäftigungseffekte festgestellt werden.

Beschäftigungsgewinne konzentrieren sich auf jüngere Arbeitnehmer sowie Berufe mit geringer Routineintensität, wie Ingenieure, Techniker und Manager. Im Gegensatz dazu bleiben die Beschäftigungsmöglichkeiten in manuellen Routineaufgaben stabil, wenngleich in diesen Tätigkeiten eine erhöhte Personalfluktuation beobachtet wird. Unsere empirische Analyse bestätigt somit eine der zentralen Thesen der ökonomischen Literatur zur Robotik erstmals auf der einzelbetrieblichen Ebene: Roboter verdrängen menschliche Arbeit verstärkt aus Routinetätigkeiten. Dass es dennoch keine Beschäftigungsverluste bei Routinetätigkeiten gab, ist aus dem Modell heraus mit einem positiven Effekt auf die Gesamtarbeitsnachfrage (Produktivitätseffekt) erklärbar. Im Endergebnis sinkt also der Anteil der Routinebeschäftigten im Betrieb, nicht jedoch ihre Anzahl.
Wir finden zudem, dass nach der Einführung von Robotern jüngere Arbeitskräfte häufiger eingestellt werden (vgl. Tabelle 2). Dies deutet darauf hin, dass die Anpassungsfähigkeit an neue Technologien mit dem Alter abnimmt – eine Erkenntnis, die den Vorhersagen der kognitiven Wissenschaft und der Humankapitaltheorie entspricht. Gleichzeitig verzeichnen höher qualifizierte Tätigkeiten wie Ingenieur- und Managementaufgaben eine verstärkte Einstellung mittelalter und älterer Arbeitskräfte.

Unsere Ergebnisse untermauern die Annahme, dass Roboter als Ergänzung für hochqualifizierte und jüngere Arbeitskräfte fungieren, während sie weniger komplexe Routineaufgaben ersetzen. Dieser Befund bestätigt zentrale Konzepte tätigkeitsbasierter Modelle und liefert differenzierte Einblicke in die alters- und tätigkeitsabhängigen Auswirkungen des Robotereinsatzes auf den Arbeitsmarkt.
Schlussfolgerungen
Unsere Studie zeigt, dass der Einsatz von Robotern sowohl Chancen als auch Herausforderungen birgt. Während die Beschäftigungsmöglichkeiten in roboternutzenden Unternehmen vor allem für hochqualifizierte Beschäftigte zunehmen, bleiben manuelle Routinetätigkeiten stabil, gehen jedoch mit einer erhöhten Fluktuation einher. Insbesondere junge Arbeitskräfte profitieren von der Einführung neuer Technologien, was langfristige Implikationen für die Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik mit sich bringt.
Unsere Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung mikroökonomischer Analysen, um die Rolle von Robotern im Produktionsprozess besser zu verstehen. Sie legen nahe, dass ein Mangel an jungen Arbeitskräften in niedrig- und mittelqualifizierten Berufen die großflächige Einführung von Robotertechnologie hemmt und das Potenzial der Robotik als Lösung des Fachkräftemangels beeinträchtigen könnte. Gleichzeitig dürfte die beschleunigte Robotisierung die Kluft zwischen jungen und älteren Arbeitskräften vergrößern. Jüngere Beschäftigte könnten in modernen, technologiegetriebenen Unternehmen eine vielversprechende Zukunft finden, während ältere Arbeitskräfte in kleinen, weniger technologieintensiven Betrieben verbleiben. Unsere Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung lebenslangen Lernens – und damit auch der betrieblichen Weiterbildung –, um auch ältere Arbeitskräfte im Umgang mit neuer Technologie zu schulen.
Endnoten
1 Ein Roboter wird hier anhand der gängigen ISO-Definition als eine automatisierte Maschine mit mehreren Achsen oder Bewegungsrichtungen definiert, die so programmiert ist, dass sie bestimmte Aufgaben (teilweise) ohne menschliches Zutun ausführt.
2 Vgl. Deng, L.; Müller, S.; Plümpe, V.; Stegmaier, J.: Robots, Occupations, and Worker Age: A Production-Unit Analysis of Employment, in: European Economic Review, Vol. 170, November 2024, 104881.
3 Effekte auf den Lohn werden in unserer Studie nicht untersucht. Ergebnisse mit deutschen Daten in Findeisen, S.; Dauth, W.; Schlenker, O.: Organized Labor Versus Robots? Evidence from Micro Data, CEPR Discussion Paper 19192, 2024, zeigen, dass Automatisierung negative Lohneffekte für besonders leicht ersetzbare und für ältere Beschäftigte haben kann.
4 Aufbauend auf Acemoglu, D.; Restrepo, P.: The Race Between Man and Machine: Implications of Technology for Growth, Factor Shares, and Employment, in: American Economic Review, Vol. 108 (6), 2018, 1488-1542.
5 Laut der Kognitionswissenschaft nehmen fluide Fähigkeiten wie Problemlösungs- und Wahrnehmungsgeschwindigkeit mit dem Alter ab, während kristalline Fähigkeiten, Wissen und Erfahrung, stabil bleiben. Diese Unterscheidung wird im Kontext von Technologie und Arbeitsnachfrage empirisch z. B. von Aubert, P.; Caroli, E.; Roger, M.: New Technologies, Organisation and Age: Firm-level Evidence, in: Economic Journal, Vol. 116 (509), 2006, F73-F93, unterstützt.
6 Die Daten stammen aus dem IAB-Betriebspanel, dem IAB-Betriebs-Historik-Panel, der IAB-Beschäftigungshistorik und der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung.
7 Blossfeld, H.-P.: Labor-market Entry and the Sexual Segregation of Careers in the Federal Republic of Germany, in: American Journal of Sociology, Vol. 93 (1), 1987, 89-118.
8 Zusätzlich werden (5) Service- und (6) Verwaltungsangestellte unterschieden, die aufgrund ihrer Ferne zum Produktionsprozess im Weiteren nicht näher ausgewertet werden.