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Drei Optionen zur Reform der Einkommensteuer

Die Belastung der Einkommen mit Steuern und Beiträgen ist in Deutschland im internationalen Vergleich hoch. Ferner nehmen die Steuereinnahmen aufgrund der Steuerprogression im Verhältnis zur Bemessungsgrundlage trendmäßig zu. Um den dadurch zunehmenden ineffizienten Keil zwischen Arbeitgeberkosten und Arbeitnehmerbezügen nicht weiter steigen zu lassen oder sogar zu reduzieren, ist eine Reform des Einkommensteuertarifs erforderlich. In diesem Beitrag werden drei Reformvorschläge unterbreitet, die alle zu einer ähnlichen Gesamtentlastung führen würden, aber unterschiedliche Effizienz- und Verteilungswirkungen haben. Die Entscheidung für einen konkreten Tarifverlauf hängt letztlich von politischen Präferenzen ab.

11. September 2015

Autoren Oliver Holtemöller Götz Zeddies

Inhalt
Seite 1
Die Ausgangslage für eine Reform
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Drei Reformoptionen Auf einer Seite lesen

Die Ausgangslage für eine Reform

Die öffentlichen Haushalte in Deutschland haben das Jahr 2014 mit einem Überschuss abgeschlossen. Für die Jahre 2015 und 2016 zeichnen sich ebenfalls deutliche Überschüsse in der Größenordnung von 20 Mrd. Euro ab. Da die deutsche Wirtschaft gegenwärtig in etwa normal ausgelastet ist, handelt es sich dabei im Wesentlichen um strukturelle Überschüsse.

Gleichzeitig ist die Belastung der Lohneinkünfte mit Beiträgen und Steuern in Deutschland im internationalen Vergleich sehr hoch. Für alle steuerlichen Konstellationen (Alleinstehende, Verheiratete, mit oder ohne Kinder) liegt die Abgabenbelastung in Deutschland über dem OECD-Durchschnitt. Hinzu kommt, dass die Lohnsteuer-einnahmen in Relation zu den Bruttolöhnen und -gehältern im Zeitablauf aufgrund des progressiven Steuertarifs immer weiter zunehmen, wenn nicht, wie etwa in den Jahren 2001 bis 2005 oder 2009 und 2010, größere Korrekturen am Steuertarif vorgenommen werden (vgl. Abbildung 1).

Je größer der Keil zwischen den Arbeitskosten der Unternehmen und den Nettolöhnen der Arbeitnehmer ist, desto ungünstiger sind die von der Besteuerung ausgehenden Anreizeffekte und desto weniger effizient ist die Volkswirtschaft. Viel spricht also dafür, die Haushaltsüberschüsse – zumindest teilweise – zur Reduktion der Einkommensteuern zu verwenden. Auch die Tatsache, dass die Abgabenbelastung aufgrund der demographischen Entwicklung in Zukunft zunehmen wird, legt nahe, die Ausgangsbasis für den künftigen Anstieg zu senken.

Kriterien für eine optimale Tarifgestaltung

Die Verwirklichung einer steuerlichen Lastenverteilung nach der Leistungsfähigkeit mit Hilfe eines progressiven Steuertarifs steht im Konflikt mit effizienzpolitischen Zielen.  Falls die Grenzsteuersätze  in einem bestimmten Einkommensbereich steigen, ist dies in der Regel mit Ausweichreaktionen der betroffenen Steuerzahler verbunden. So kann etwa die Arbeitsbereitschaft mit zunehmender Besteuerung sinken. Außerdem kommt es zu legalen und illegalen Steuervermeidungsmaßnahmen.  Zudem verringern sich bei steigenden Grenzsteuersätzen die Anreize für individuelle Investitionen in Humankapital. 

Welcher Tarifverlauf in den einzelnen Einkommensintervallen angemessen ist, hängt im Wesentlichen von drei Kriterien ab. Maßgeblich für die Tarifgestaltung ist erstens die gesamtwirtschaftliche Verteilung der Einkommen. So sind steigende Grenzsteuersätze vor allem dann angebracht, wenn nur wenige Steuerzahler durch den Anstieg zu Ausweicheffekten verleitet werden und eine große Anzahl von wirtschaftlich leistungsfähigen Steuerzahlern tatsächlich durch die Erhöhung der Durchschnittssteuerlast einen zusätzlichen Steuerbeitrag leistet.  Zudem ist bei einer steigenden Einkommensungleichheit ein höherer Progressionsgrad im Einkommensteuersystem gerechtfertigt. 

Zweitens kommt es auf die Steuergestaltungsmöglichkeiten an, die die Steuerzahler in den jeweiligen Einkommensklassen haben. Spitzenverdiener haben tendenziell einen größeren Handlungsspielraum für eine aktive Steueroptimierung als Geringverdiener.  Außerdem kommt es in höheren Einkommensklassen eher zu Fehlanreizen bei Entscheidungen im intertemporalen Kontext wie z. B. bei der Investition in Humankapital. Geringverdiener stehen hingegen vergleichsweise häufig vor dem diskreten Entscheidungsproblem, ob sie überhaupt eine Erwerbstätigkeit aufnehmen möchten oder nicht. Für diese Einkommensgruppe sollten vor allem die Durchschnittssteuersätze gering sein. 

Drittens spielen die gesellschaftlichen Umverteilungspräferenzen,
d. h. der politische Wille, bestimmte Einkommensklassen mit niedrigeren Steuersätzen zu belasten als andere, eine Rolle.

Drei Reformoptionen

Im Folgenden werden drei Reformoptionen für den deutschen Einkommensteuertarif vorgestellt, die mit jährlichen fiskalischen Kosten von ungefähr 25 Mrd. Euro einhergehen. Die Vorschläge sind skalierbar und lassen sich sowohl mit höherer als auch mit niedrigerer fiskalischer Wirkung implementieren. Mittelfristig haben Steuersenkungen positive Effekte auf die wirtschaftliche Aktivität, sodass die anfänglichen Steuermindereinnahmen zu einem gewissen Teil durch einen Anstieg der Bemessungsgrundlage kompensiert werden; dieser Effekt ist hier nicht berücksichtigt. Alle drei Reformvorschläge sehen eine Erhöhung des steuerfreien Existenzminimums auf 8 652 Euro p. a. vor. Beim ersten Reformvorschlag verläuft die Grenzsteuersatzfunktion in der ersten progressiven Zone konkav (vgl. Abbildung 2).  Die zweite progressive Zone verläuft, wie im derzeit geltenden Einkommensteuertarif, linear; jedoch greift der Spitzensteuersatz (bei Einzelveranlagung) erst bei einem Jahreseinkommen von 80 000 Euro. Der zweite Reformvorschlag unterscheidet sich vom ersten dahingehend, dass auch die erste progressive Zone linear verläuft. Dadurch werden niedrigere Einkommen etwas stärker entlastet. Im Gegenzug greift der Spitzensteuersatz bereits ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 60 000 Euro. Der dritte Reformvorschlag enthält einen Stufentarif mit Grenzsteuersätzen von 14%,  30% und 42%, wobei letzterer für zu versteuernde Einkommen oberhalb von
55 000 Euro gilt.

Außerdem in diesem Heft

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Aktuelle Trends: Wanderungsverluste Ostdeutschlands gegenüber dem Westen stark rückläufig – deutliche Wanderungsgewinne gegenüber dem Ausland

Hans-Ulrich Brautzsch

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 4, 2015

Abstract

Die hohen Wanderungsverluste haben in Ostdeutschland in erheblichem Maß zum Bevölkerungsschwund beigetragen. Dabei sind vor allem jüngere, qualifizierte Menschen abgewandert, darunter überproportional viele Frauen. Seit dem Jahr 2012 scheint sich die Lage etwas aufzuhellen: Die Zahl der Zuwanderer überstieg im Jahr 2012 die Zahl der Abwanderer um ca. 10 000 Personen, 2013 waren es bereits 26 000 Personen. Das letzte Mal hatte es im Jahr 1997 einen Wanderungsüberschuss gegeben. Gegenüber dem Ausland ist der Saldo bereits seit 2010 positiv. Im Jahr 2013 lag dieser bei ca. 33 000 Personen und dürfte danach weiter deutlich zugenommen haben. So sind in den ersten elf Monaten des Jahres 2014 – neuere Daten liegen noch nicht vor – 49 000 Personen mehr aus dem Ausland zugewandert als abgewandert.

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Kommentar: Demographie und Einwanderung

Reint E. Gropp

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 4, 2015

Abstract

Die demographischen Effekte sind in Ostdeutschland viel drastischer als in Westdeutschland und viel gravierender auf dem Land als in der Stadt. Die Bevölkerung in Ostdeutschland schrumpft schneller als im Westen, und sie wird immer älter. Manchen Regionen droht die Entvölkerung. Nach Prognosen des Statistischen Bundesamts ist im Jahr 2030 jeder dritte Ostdeutsche 65 Jahre und älter. Der Umgang mit diesem Problem, gerade im Osten, wird in meinen Augen die größte Herausforderung der nächsten Jahrzehnte sein.

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Einlagensicherungssysteme erhöhen das moralische Risiko von Banken

Annika Bacher Felix Noth

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 4, 2015

Abstract

Einlagensicherungsmechanismen sind Bestandteil vieler Finanzsysteme und sollen in Krisenzeiten einen Ansturm der Sparer auf Banken und daraus resultierende Ansteckungseffekte verhindern. Jedoch bergen Sicherungssysteme zusätzliche Risikoanreize für Kreditinstitute, da eine solche Versicherung die Überwachungsanreize der Einlagengeber reduziert. Im Zuge der Finanzkrise von 2007 bis 2009 ist es in vielen Ländern zu Reformen hinsichtlich der Einlagensicherungssysteme gekommen. Dieser Artikel diskutiert die jüngste Anhebung der Einlagensicherungsgrenze in den USA von 100 000 auf 250 000 US-Dollar aus dem Jahr 2008 vor dem Hintergrund eines aktuellen Forschungsbeitrags. Dieser zeigt deutlich, dass durch die Erhöhung der Einlagensicherung in den USA das Risiko der Banken, die von der Erhöhung besonders profitierten, deutlich gestiegen ist, und gibt damit Hinweise auf den bekannten Zielkonflikt von Einlagensicherungssystemen: kurzfristige Stabilisierung während einer Krise gegenüber langfristigen Risikoanreizen für Banken.

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Firm Exit and Job Displacement – ein Workshopbericht

Daniel Fackler

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 4, 2015

Abstract

Die Abteilung Strukturwandel und Produktivität des IWH veranstaltete am 17. und 18. Juli 2015 einen Workshop zum Thema „Firm Exit and Job Displacement“. Dabei trafen sich hochkarätige Forscher (u. a. von der University of California Berkeley und der Harvard University) aus zahlreichen Ländern, um aktuelle Arbeiten zu Themen wie Unternehmenswachstum und Beschäftigungsstabilität zu diskutieren. Kernthema des Workshops war jedoch die aktuelle Forschung zu den Folgen unfreiwilliger Arbeitsplatzverluste (job displacement).

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IWH-Bauumfrage im zweiten Quartal 2015: Große Zuversicht in Hochbau und Ausbau

Brigitte Loose

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 4, 2015

Abstract

Das Geschäftsklima im ostdeutschen Baugewerbe ist laut Umfrage des IWH im Frühjahrsquartal alles in allem freundlich. Die Unternehmen beurteilen ihre Geschäftslage zwar etwas weniger günstig als zuvor, was nach dem witterungsbedingt kräftigen Schwung zu Beginn des Jahres zu erwarten war. Hinsichtlich der Geschäfts-aussichten für das nächste halbe Jahr nahm der Optimismus aber weiter zu. Die saldierten Urteile der Unternehmen stiegen hier um vier Punkte. Die Auftrags- und Liquiditätslage verbesserte sich. Den Firmenmeldungen zufolge gab es zudem Preiserhöhungsspielräume, die die Ertragserwartungen der Bauunternehmen anziehen ließen. Ausgeprägt bleiben aber die Divergenzen in den Stimmungslagen zwischen dem zuversichtlichen Hoch- und Ausbau auf der einen und dem etwas zurückhaltenden Tiefbau auf der anderen Seite.

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IWH-Industrieumfrage im zweiten Quartal 2015: Nur die Konsumgüterhersteller erwarten florierende Geschäfte

Cornelia Lang

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 4, 2015

Abstract

Im Verarbeitenden Gewerbe Ostdeutschlands setzt sich die gedämpfte Stimmung des ersten Quartals 2015 auch im zweiten fort. Das geht aus den Ergebnissen der IWH-Industrieumfrage unter rund 300 Unternehmen hervor. Die saldierten Urteile der Unternehmen über ihre aktuelle Geschäftslage gingen gegenüber dem Vorquartal um sechs Punkte zurück. Das ist der zweite Rückgang in Folge. Auch die Aussichten trübten sich zum zweiten Mal ein. Hier sank der Saldo um sieben Punkte. Weitere vorlaufende Indikatoren wie die Auftragslage und die Produktionserwartungen gaben ebenfalls nach. Allerdings ist das Niveau der Geschäftsaktivitäten in der ostdeutschen Industrie nach wie vor hoch und liegt über dem langjährigen Mittel.

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