Einlagensicherungssysteme erhöhen das moralische Risiko von Banken
Einlagensicherungsmechanismen sind Bestandteil vieler Finanzsysteme und sollen in Krisenzeiten einen Ansturm der Sparer auf Banken und daraus resultierende Ansteckungseffekte verhindern. Jedoch bergen Sicherungssysteme zusätzliche Risikoanreize für Kreditinstitute, da eine solche Versicherung die Überwachungsanreize der Einlagengeber reduziert. Im Zuge der Finanzkrise von 2007 bis 2009 ist es in vielen Ländern zu Reformen hinsichtlich der Einlagensicherungssysteme gekommen. Dieser Artikel diskutiert die jüngste Anhebung der Einlagensicherungsgrenze in den USA von 100 000 auf 250 000 US-Dollar aus dem Jahr 2008 vor dem Hintergrund eines aktuellen Forschungsbeitrags. Dieser zeigt deutlich, dass durch die Erhöhung der Einlagensicherung in den USA das Risiko der Banken, die von der Erhöhung besonders profitierten, deutlich gestiegen ist, und gibt damit Hinweise auf den bekannten Zielkonflikt von Einlagensicherungssystemen: kurzfristige Stabilisierung während einer Krise gegenüber langfristigen Risikoanreizen für Banken.
11. September 2015
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Risiken eines fragilen BankensystemsSeite 2
USA: von 100 000 auf 250 000 US-Dollar Auf einer Seite lesenIm Zuge der Finanzkrise von 2007 bis 2009 rückten die Risiken eines fragilen Bankensystems zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit und offenbarten die Notwendigkeit von stabilen Sicherungssystemen weltweit.
Ein vielbeachtetes Mittel der Finanzmarktregulierung stellen Einlagensicherungssysteme dar, welche die Auszahlung von Einlagen (zumindest bis zu einem gewissen Höchstbetrag) im Falle einer Bankinsolvenz garantieren. Das Ziel eines solchen Systems ist es, bank runs zu verhindern. Bank runs beschreiben eine Situation, in der viele Bankkunden gleichzeitig ihre Einlagen zurückfordern, da sie beispielsweise einen Zahlungsausfall ihres Kreditinstituts befürchten.
Für das Funktionieren eines Finanzsystems ist es von großer Bedeutung, dass solch ein bank run nicht eintritt, da keine Bank über genügend liquide Mittel verfügt, um alle ihre Gläubiger im Ernstfall auf einmal ausbezahlen zu können. Darüber hinaus würden sich die Folgen eines einzelnen Insolvenzfalls nicht auf eben diese Bank beschränken, sondern wahrscheinlich eine Kettenreaktion auslösen, die den gesamten Finanzsektor betreffen kann. Dies liegt zum einen an den direkten Verflechtungen der Kreditinstitute untereinander, zum anderen aber auch an psychologischen Faktoren, die nicht auf Fundamentaldaten basieren: Sobald eine Bank im Zuge einer Insolvenz ihre Einleger nicht mehr ausbezahlen kann, steigert dies auch das Misstrauen der Kunden anderer Banken (Spillover-Effekte).
Trade-Off zwischen Stabilität und Risiko
Jedoch besteht die Gefahr, dass Einlagensicherungssysteme, die primär als Stabilisierungsinstrument gedacht sind, genau das Gegenteil bewirken, indem sie Banken Anreize zu risikoreicherem Handeln geben. Einlagensicherungssysteme erhöhen dabei die Wahrscheinlichkeit des moralischen Risikos (moral hazard) der Banken. Engagiert sich eine Bank in risikoreichen Geschäftsfeldern wie beispielsweise gewerblichen Immobilien, kann sie mit erhöhten Gewinnen im Erfolgsfall rechnen. Sollte sie sich allerdings verkalkulieren, haftet das Einlagensicherungssystem im Falle der Zahlungsunfähigkeit der Bank. Dadurch verlieren Bankkunden, deren Einlagen geschützt sind, den Anreiz, das Kreditinstitut zu überwachen, da der Fortbestand ihres Guthabens unabhängig vom Handeln der Bank ist. Umso höher der versicherte Betrag, desto größer der Anreiz der Bank, übermäßig hohe Risiken einzugehen. Diesem Anreizmechanismus liegt zugrunde, dass eine risikoadäquate Ausgestaltung von Prämien, die Banken in solche Sicherungssysteme einzahlen, nur unzureichend stattfindet.
Seit der Einführung einer Einlagenversicherung in den USA nach der Großen Depression 1933 hat sich diese Form des Sicherungssystems in vielen Ländern verbreitet und ist bis heute im Umfang der versicherten Einlagen in allen Ländern gestiegen. Dieser Beitrag bewertet, basierend auf einer aktuellen Forschungsarbeit, die Effekte der Änderung im Einlagensicherungssystem der USA aus dem Jahr 2008 und gibt zusätzlich einen Überblick über die aktuelle Ausgestaltung der Einlagensicherung in Deutschland.