Kommentar: Wirtschaftspolitik unter Trump: Strohfeuer oder andauernde Kontraktion?
Das wirtschaftspolitische Programm des künftigen US-Präsidenten Donald Trump ist schemenhaft und widersprüchlich. Zwei Punkte stechen bis jetzt heraus: Protektionismus und eine expansive Fiskalpolitik. Protektionismus würde einen langsameren Wachstumspfad für die US-amerikanische Wirtschaft implizieren, eine expansive Fiskalpolitik mit Steuersenkungen und einer starken Erhöhung der Infrastrukturausgaben würde, allerdings nur kurzfristig, das Gegenteil bedeuten.
21. November 2016
Diese Widersprüchlichkeit hat sich auch in der Reaktion der Finanzmärkte auf die überraschende Wahl Trumps gezeigt: In den ersten Stunden, als zunehmend klar wurde, dass Trump gewinnen würde, fielen die Aktienkurse. Futures (also Wetten auf die zukünftige Entwicklung des Indexes) für den Dow Jones, den wichtigsten Leitindex für amerikanische Aktien, zeigten, dass Marktteilnehmer Verluste von bis zu 10% erwarteten. Die Verluste waren so groß, dass der Handel ausgesetzt werden musste. Gleichzeitig fiel der US-Dollar relativ zu anderen wichtigen Währungen wie dem Euro. Die Marktteilnehmer schienen sich also zunächst auf die protektionistischen Aspekte des Trump’schen Wirtschaftsprogramms zu konzentrieren. Protektionismus führt zu höheren Preisen für die Konsumenten; deren verfügbares Einkommen sinkt, die Gewinne der Unternehmen sinken, die Wachstumsrate fällt. Langsameres Wachstum in den USA, verbunden mit höheren Handelsbeschränkungen, reduziert auch das Wachstum bei den wichtigsten Handelspartnern, wie zum Beispiel Deutschland.
Verblüffenderweise haben die Finanzmärkte allerdings noch in der Wahlnacht ihre Meinung geändert: Als das Ergebnis feststand, schwenkte der Markt mit ebenso großer Vehemenz in die andere Richtung und holte die Verluste noch im Laufe der Nacht fast ganz auf. In der darauffolgenden Woche verzeichneten die Aktienkurse an den wichtigsten Börsen der Welt signifikante Gewinne. Der US-Dollar stieg stark gegenüber anderen Währungen. Anscheinend hat sich nun die Strohfeuerperspektive auf die zu erwartende Wirtschaftspolitik durchgesetzt: Trump wird die Steuern senken und Staatsausgaben erhöhen. Das ist zwar nicht nachhaltig, aber kurzfristig käme es zu einem Wirtschaftsboom. Mittelfristig allerdings würde eine solche Politik zu einem klassischen Boom-Bust-Zyklus führen: Die amerikanischen Staatsschulden, die sich wegen der Finanzkrise von vor einigen Jahren ohnehin schon auf einem hohen Niveau befinden, würden dramatisch steigen und die Wirtschaftspolitik anschließend in eine Konsolidierungsphase münden. Gleichzeitig haben die Marktteilnehmer sich auch an andere, weniger prominente Aspekte einer Trump’schen Wirtschaftspolitik erinnert: Ein Zurückfahren der Re- regulierung des Finanzsystems und ein Zurückfahren der Umweltpolitik der Obama-Administration mit einem Fokus auf alte, dreckige Energiequellen und wahrscheinlich einer Reduzierung der Energiekosten für Unternehmen und Haushalte. Klassische republikanische Rezepte eben. Wohin das führt, ist allerdings auch bekannt, siehe das Ende der Reagan-Jahre. Und Protektionismus passt zu einer Strohfeuer-Politik nun gar nicht.
Welchen Trump werden wir also in den nächsten Jahren erleben? Die Finanzmärkte scheinen zu glauben, dass Trump mit dem Protektionismus nicht ernst macht (vielleicht, weil ein republikanischer Kongress dem nicht viele Sympathien entgegenbringen würde), mit der expansiven Fiskalpolitik aber schon, da diese Politik im Kongress eher Zustimmung fände. Das mag so sein, sicher ist es allerdings nicht, und selbst wenn es so käme, wäre die Katerstimmung in ein paar Jahren programmiert. Vielleicht ist daher die Hauptlehre aus der Wahl Trumps, dass wir eine höhere Volatilität und größere Unsicherheit, weniger Vorhersehbarkeit erwarten dürfen. Das entspräche dann dem sprunghaften Charakter des neuen Präsidenten. Große Unsicherheit wiederum ist Gift für die Wirtschaft, da Unternehmen und Haushalte verlässliche Rahmenbedingungen brauchen, wenn sie langfristige Anlage- und Investitionsentscheidungen treffen müssen. Ist diese Verlässlichkeit nicht gegeben, werden solche Entscheidungen gern vertagt, mit negativen Konsequenzen für die Wirtschaft. Man kann nur hoffen, dass diese ersten Anzeichen trügen.
Übrigens: nicht alle Ankündigungen Trumps müssen zwangsläufig zum Nachteil Europas werden: Seine deutliche Aussprache gegen Immigration könnte Europa als Magnet für ausländische Experten und high potentials wieder attraktiver machen.