Außenwirtschaft Sachsen-Anhalts auf dem Weg zu einer größeren Internationalisierung
Der Außenhandel Sachsen-Anhalts hat sich in den vergangenen Jahren abgeschwächt. Dies liegt vor allem an der anhaltenden Krise auf dem wichtigen Absatzmarkt Europa. Neue Wachstumsmärkte zu erschließen, ist gerade für die in Sachsen-Anhalt verbreiteten kleinen und mittleren Unternehmen schwierig. Zudem dominieren Vorerzeugnisse und Halbwaren den Export. Obgleich sich die Schwerpunkte in den Handelsregionen aufgrund der aktuellen Konjunktur jüngst leicht verschoben haben, bleibt es eine schwierige Aufgabe, das Außenwirtschaftspotenzial der Unternehmen besser zu entfalten. Mehr Produktinnovation, die Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft, neue Anreize für die Fachkräftegewinnung und das Gründungsgeschehen sowie die strategische Erschließung von Auslandsmärkten sind Felder, auf denen das neue Außenwirtschaftskonzept des Landes ansetzen will. Es könnte damit zu mehr Internationalisierung der Unternehmen in Sachsen-Anhalt beitragen.
04. Mai 2016
Inhalt
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Das Wirtschaftswachstum in Sachsen-AnhaltSeite 2
Verschiebung der Schwerpunkte innerhalb der Handelsregionen Auf einer Seite lesenDas Wirtschaftswachstum hat in Sachsen-Anhalt im vergangenen Jahr stagniert, nachdem es in den beiden Vorjahren leicht rückläufig war. Auch über einen längeren Zeitraum betrachtet blieb das Wirtschaftswachstum im Vergleich der Bundesländer weit unterdurchschnittlich. Vom IWH wurden in der Vergangenheit mehrfach die wesentlichen Ursachen dafür thematisiert und die Herausforderungen für eine Überwindung der Standortnachteile benannt. Auch die Landesregierung hat sich in der vergangenen Legislaturperiode wiederholt dazu geäußert, mit welchen Instrumenten der Wirtschaftspolitik sie Einfluss auf die Lage nehmen will; verschiedene Förderprogramme und Konzepte wurden von ihr auf den Weg gebracht. Vor diesem Hintergrund sollen im Folgenden der Außenhandel als ein wichtiger Pfeiler der wirtschaftlichen Entwicklung und das jüngste Außenwirtschaftskonzept des Landes näher betrachtet werden.
Sowohl Einfuhren als auch Ausfuhren Sachsen-Anhalts sind seit Mitte der 1990er Jahre fast ausnahmslos mit zweistelligen Raten gestiegen. Ab dem Jahr 2012 entwickelte sich der Außenhandel jedoch merklich schwächer; die Ausfuhren stagnierten nahezu, die Einfuhren entwickelten sich im Jahr 2014 sogar leicht rückläufig. Die Schwäche der Handelstätigkeit hängt vor allem damit zusammen, dass die wichtigen Absatzmärkte der sachsen-anhaltischen Wirtschaft in Europa liegen und die europäische Wirtschaft in einer Krise steckt, von der sie sich nur allmählich erholt. Erst im Jahr 2015 hat sich die Konjunktur im Euroraum leicht aufgehellt, in den mittel- und osteuropäischen Nachbarländern hat sie noch zusätzliche Impulse erhalten. Für den Außenhandel lässt dies eine Belebung erwarten. Um die Außenwirtschaft gegenüber konjunkturellen Schwankungen besser zu wappnen, wären allerdings stärkere Aktivitäten der Unternehmen auf anderen, auch außereuropäischen Märkten gefragt. Auch im Vergleich der Bundesländer besteht bei der internationalen Ausrichtung der Wirtschaft für Sachsen-Anhalt noch immer Aufholbedarf. Allerdings sind die Voraussetzungen für die umfassendere Erschließung von Absatzmärkten in Sachsen-Anhalt mit seiner Unternehmens- und Wirtschaftsstruktur nicht optimal.
Strukturelle Rahmenbedingungen und ihre Folgen für die Außenwirtschaft
Zur Beurteilung der Lage in der Außenwirtschaft sollen die Unternehmens- und die Wirtschaftsstruktur Sachsen-Anhalts kurz charakterisiert werden. Die Unternehmensstruktur ist kleinteilig: Es überwiegen Kleinstunternehmen, der Anteil der Großunternehmen (über 250 Beschäftigte) beträgt nur 0,32%. Damit unterscheidet sich die Struktur zwar grundsätzlich nur wenig vom bundesweiten Durchschnitt, allerdings liegt die Bedeutung für den Außenhandel in den Details: Sachsen-Anhalt hat überdurchschnittlich viele kleine und mittelgroße Unternehmen, und die wenigen Großunternehmen haben deutlich weniger Beschäftigte als anderswo (14% der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, bundesweit 23%). Zudem fehlen bei Großunternehmen am Produktionsstandort weitgehend die Unternehmenssitze. Letzteres ist auch charakteristisch für Ostdeutschland insgesamt. Verbunden ist mit einer derartigen Struktur eine geringere Vernetzung der Unternehmen, was in verschiedener Hinsicht nachteilig wirkt, u. a. auf die Erschließung überregionaler und internationaler Märkte, sodass auch aus diesem Grund oftmals die Exporttätigkeit geringer ist als in vergleichbaren westdeutschen Unternehmen. Die absolute Anzahl der Unternehmen in Sachsen-Anhalt ist in den letzten Jahren leicht geschrumpft, vor allem die von Kleinst- und Kleinunternehmen, was auch mit den zunehmenden Schwierigkeiten bei der Besetzung von Unternehmensnachfolgen zusammenhängt.
Von den Wirtschaftsbereichen in Sachsen-Anhalt ist das Produzierende Gewerbe am umsatzstärksten. Das Ernährungsgewerbe und die Chemische und Pharmazeutische Industrie haben mit 18% bzw. 15% den größten Anteil am Verarbeitenden Gewerbe. Mit einigem Abstand folgen die Metallindustrie und der Maschinenbau, hingegen der Fahrzeugbau mit etwa 2% nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Die höher aggregierten Hauptgruppen des Verarbeitenden Gewerbes geben einen weiteren Eindruck über die Wirtschaft Sachsen- Anhalts: Vorleistungsgüter haben einen Umsatzanteil von mehr als zwei Dritteln (bundesweit: 38%), Investitionsgüter erreichen hingegen gerade mal 13% (44%) und Ge- und Verbrauchsgüter etwa 20% (17%). Auffällig ist die im Vergleich relativ geringe Exportquote der Industrie in Sachsen-Anhalt, gemessen als Anteil der Auslandsumsätze an den Gesamtumsätzen der Unternehmen. Zwar hat sich die Quote in den letzten 15 Jahren mehr als verdoppelt, ist aber mit aktuell 29,2% selbst im Vergleich ostdeutscher Bundesländer immer noch unterdurchschnittlich (37,6%, bundesweit 49,4%). Dies scheint allerdings weniger Ausdruck einer Exportschwäche als vielmehr eine Folge der strukturellen Gegebenheiten zu sein. Das große Gewicht von Vorleistungsgüterproduzenten innerhalb der sachsen-anhaltischen Industrie führt dazu, dass auch im Export Vorleistungsgüter dominieren. Doch während in Ostdeutschland insgesamt die Investitionsgüterhersteller in den letzten Jahren gegenüber den Vorleistungsgüterproduzenten aufholen konnten und auch im Export beide Gütergruppen nunmehr fast gleichauf liegen, trifft dies auf Sachsen-Anhalt nicht zu. Hierin kommt der große Stellenwert der Vor- und Halberzeugnisse in der Chemischen Industrie und in der Metallverarbeitung zum Ausdruck. Die in Sachsen-Anhalt hergestellten Vorleistungsgüter werden in anderen Bundesländern weiterverarbeitetet und im Bundesland des Endproduzenten als Exporte erfasst. Würde man die innerdeutschen Warenströme berücksichtigen und den nichtregionalen Absatz der Industrie zum Auslandsabsatz der sachsen-anhaltischen Industrie hinzurechnen, würde sich eine höhere Absatzquote ergeben. Offizielle Statistiken zu Sachsen-Anhalt liegen dafür nicht vor, allerdings wird der überdurchschnittlich hohe Anteil der „indirekten“ Exporte in Dokumenten immer wieder thematisiert. Berechnungen des IWH kommen auf der Basis des IAB-Betriebspanels für das gesamte ostdeutsche Verarbeitende Gewerbe für das Jahr 2014 auf einen Anteil überregionaler Absatzmärkte am Gesamtabsatz der Unternehmen von bis zu 69%.
Der sachsen-anhaltischen Wirtschaftsstruktur entsprechen auch die wichtigsten Exportgüter: Führend sind Kunststoffe und pharmazeutische Erzeugnisse mit jeweils 9% Anteil am Gesamtexport, gefolgt von chemischen Vorerzeugnissen, Gummi- und Kunststoffwaren sowie Maschinen und Metallerzeugnissen. Chemische Erzeugnisse haben insgesamt einen Exportanteil von 26%. Die exportstarken Warengruppen weisen auch beträchtliche Wachstumsraten auf. So ist zwischen 2008 und 2015 die Ausfuhr von chemischen Erzeugnissen um 20%, von pharmazeutischen Erzeugnissen um 152%, von Gummi- und Kunststoffwaren sowie Maschinen um 46% bzw. 27% gestiegen. Diese Steigerungen lassen sich nicht allein auf einen überproportionalen Ölpreisanstieg in einzelnen Jahren zurückführen, sie sind auch ein Indiz dafür, dass das Land in diesen Sektoren ganz offensichtlich über international wettbewerbsfähige (Groß-)Unternehmen verfügt.