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Kommentar: Die EZB tut, was sie kann – nun ist die Politik gefordert

Der Euroraum verharrt in einer tiefen, vierfachen Krise. Die erste ist eine Wachstumskrise. Im Euroraum liegt die wirtschaftliche Leistung immer noch unterhalb des Niveaus von vor der Finanzkrise 2008. Zudem leidet der Euroraum weiterhin unter hoher Arbeitslosigkeit und zu niedriger Inflation. Der Euroraum leidet außerdem unter einem zu geringen Produktivitätswachstum, vor allem bei den Dienstleistungen. Es fehlt hier an Innovationsdynamik und Investitionen.

04. Mai 2016

Autoren Reint E. Gropp

Die zweite Krise, die Überschuldung der öffentlichen Haushalte, reduziert den fiskalischen Handlungsspielraum in einer Reihe von Ländern. Die dritte Krise ist die Bankenkrise. Faule Kredite in dreistelliger Milliardenhöhe belasten eine Reihe von südeuropäischen Banken und reduzieren deren Bereitschaft, neue Kredite zu vergeben. Hier existiert ein dringender Wertberichtigungsbedarf, verbunden mit einer entsprechenden Kapitalerhöhung. Die vierte Krise ist eine Vertrauenskrise. Unternehmen investieren nicht, Menschen konsumieren nicht, wenn sie kein Vertrauen in die Fähigkeit der Politik haben, die wirtschaftlichen Probleme Europas zu lösen, wenn sie Arbeitslosigkeit und Lohneinbußen fürchten oder eine geringe Nachfrage nach dem eigenen Produkt erwarten.

Diese vier Krisen, die eng zusammenhängen und sich gegenseitig verstärken, werden sich nicht von selbst lösen. Die EZB ist eine der wenigen Institutionen, die zur Lösung beiträgt. Es gibt einige Anzeichen dafür, dass die niedrigen Zinsen und Ankaufprogramme der EZB über die vergangenen eineinhalb Jahre positive wirtschaftliche Effekte gehabt haben. Die lockere Geldpolitik ist richtig und notwendig, aber sie ist nicht hinreichend, um die europäische Wirtschaft aus der Krise zu ziehen. Hierzu bedarf es eines viel entschiedeneren Handelns der Politik.

Erstens benötigt Europa dringend ein Umdenken in der Fiskalpolitik. Zum einen müssen Investitionen gestärkt und der Staatskonsum nachhaltig gemacht werden. In Deutschland sind die investiven Ausgaben, etwa im Bildungsbereich, zu niedrig. Das geht zu Lasten der Zukunft. Gleichzeitig werden vor dem Hintergrund der demographischen Situation unverantwortliche Leistungsausweitungen bei der Rente vorgenommen, statt das Rentensystem zukunftstauglich zu machen. Nicht Schuldenabbau, sondern eine strukturelle Verbesserung der Staatsausgaben sollte oberste Priorität haben. Und der Euroraum benötigt einen Plan für eine glaubhaft nachhaltige Fiskalpolitik in allen Ländern, um die öffentliche Verschuldung langfristig tragfähig zu machen. Der zweite Bereich sind Strukturreformen. In der gegenwärtigen Situation ist es für Europa entscheidend, solche Reformen zu identifizieren und zügig umzusetzen, die das Produktivitätswachstum fördern. Gerade bei den privaten Dienstleistungen hinkt das europäische Produktivitätswachstum weltweit deutlich hinterher. Ein Grund dafür sind zu kleine, durch nicht-tarifäre Hemmnisse geschützte Märkte. Ein großer europäischer Markt würde dagegen Anreiz für mehr Investitionen schaffen – insbesondere in moderne Technologien. Der dritte Bereich betrifft den Bankensektor. Im Euroraum und speziell in Deutschland wird in den kommenden Jahren eine deutliche Konsolidierung des Bankensektors unausweichlich werden. Hier verstärkt das gegenwärtige Niedrigzinsumfeld den Druck, denn größere, effizientere Banken haben jetzt deutlich weniger Schwierigkeiten, da sie in geringerem Maße auf das klassische Margengeschäft angewiesen sind. Gleichzeitig müssen in einigen anderen Ländern die Altlasten der letzten Jahre zügig aus den Bankbilanzen, verbunden mit einer Re-Kapitalisierung. Dass die USA nach 2008 ihren Bankensektor zügig bereinigt haben und damit letztlich auch eine wichtige Voraussetzung für die Beendigung der Krise und wirtschaftliche Erholung gelegt haben, ist der vielleicht größte Unterschied zum Euroraum.

Die Kritik an der EZB in Deutschland ist kontraproduktiv. Die Geldpolitik muss expansiv sein, damit die EZB ihrem Mandat gerecht wird und glaubwürdig bleiben kann. Die EZB muss nicht weniger, sondern Europas Politik muss mehr tun. Die Politik, auch die deutsche, darf sich nicht länger ihrer Mitverantwortung für die gegenwärtige wirtschaftliche Lage in weiten Teilen Europas entziehen.

Außerdem in diesem Heft

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Aktuelle Trends: Produktivität im Ost-West-Vergleich: Ostdeutschland holt langsam weiter auf

Gerhard Heimpold

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 2, 2016

Abstract

Ostdeutschland holt bei der Produktivität weiter auf, aber eben nur sehr langsam. Dies zeigen die im März 2016 veröffentlichten Daten des Arbeitskreises „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“. Nach zügigen Fortschritten in der ersten Hälfte der 1990er Jahre hat sich der Aufholprozess bei der Produktivität gegenüber Westdeutschland danach deutlich verlangsamt und kommt inzwischen höchstens in Trippel­schritten voran.

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Außenwirtschaft Sachsen-Anhalts auf dem Weg zu einer größeren Internationalisierung

Martina Kämpfe

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 2, 2016

Abstract

Der Außenhandel Sachsen-Anhalts hat sich in den vergangenen Jahren abgeschwächt. Dies liegt vor allem an der anhaltenden Krise auf dem wichtigen Absatzmarkt Europa. Neue Wachstumsmärkte zu erschließen, ist gerade für die in Sachsen-Anhalt verbreiteten kleinen und mittleren Unternehmen schwierig. Zudem dominieren Vorerzeugnisse und Halbwaren den Export. Obgleich sich die Schwerpunkte in den Handelsregionen aufgrund der aktuellen Konjunktur jüngst leicht verschoben haben, bleibt es eine schwierige Aufgabe, das Außenwirtschaftspotenzial der Unternehmen besser zu entfalten. Mehr Produktinnovation, die Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft, neue Anreize für die Fachkräftegewinnung und das Gründungsgeschehen sowie die strategische Erschließung von Auslandsmärkten sind Felder, auf denen das neue Außenwirtschaftskonzept des Landes ansetzen will. Es könnte damit zu mehr Internationalisierung der Unternehmen in Sachsen-Anhalt beitragen.

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Gemeinschaftsdiagnose Frühjahr 2016: Aufschwung bleibt moderat – Wirtschaftspolitik wenig wachstumsorientiert

Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 2, 2016

Abstract

Anfang des Jahres 2016 wurde deutlich, dass sich die Weltwirtschaft in den Monaten zuvor merklich abgekühlt hatte. Die schlechten Nachrichten führten auf den Aktienmärkten im Januar und Februar weltweit zu erheblichen Bewertungsverlusten sowie zu einem deut­lichen Anstieg der Risikowahrnehmung.

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IWH-Bauumfrage im ersten Quartal 2016: Hochkonjunktur im Ausbaugewerbe

Brigitte Loose

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 2, 2016

Abstract

Das Geschäftsklima im ostdeutschen Baugewerbe hat sich laut Umfrage des IWH zu Beginn des Jahres 2016 nochmals verbessert. Bei der Bewertung der aktuellen Lage setzt sich die in der zweiten Hälfte des Jahres 2015 einsetzende Aufwärtsbewegung weiter fort. Besonders deutlich hellt sich die Situation im Ausbaugewerbe auf.

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IWH-Industrieumfrage im ersten Quartal 2016: Optimistische Erwartungen im Konsumgütergewerbe

Cornelia Lang

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 2, 2016

Abstract

Im Verarbeitenden Gewerbe Ostdeutschlands setzt sich die Erwärmung des Geschäftsklimas der zweiten Jahreshälfte 2015 nicht fort. Das zeigen die Ergebnisse der IWH-Umfrage im ersten Quartal 2016. Per saldo geht die Beurteilung der aktuellen Geschäftslage um einen Punkt zurück, bei den Geschäftsaussichten sind es zwei Punkte (vgl. Abbildung 1 und Tabelle). Dieser Dämpfer könnte der deutlich geringeren Zufriedenheit der Unternehmen mit der Auftragslage geschuldet sein.

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Vererbung von Arbeitslosigkeit: Wie der Vater, so der Sohn?

Steffen Müller

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 2, 2016

Abstract

Jugendarbeitslosigkeit und mangelnde Chancen sozialen Aufstiegs gehören zu den wichtigsten sozialpolitischen Herausforderungen in vielen Ländern. Die Probleme erweisen sich als so hartnäckig, dass die These naheliegt, sie würden innerhalb der Familien „vererbt“. Eine Studie des IWH und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat jetzt erstmals für Deutschland untersucht, wie lange junge Männer, die als Kinder einen zeitweise arbeitslosen Vater hatten, später selbst arbeitslos gewesen sind. Zudem wurde geprüft, ob die Ursache für die Arbeitslosigkeit der Söhne in der Arbeitslosigkeit der Väter selbst oder in gemeinsamen familiären Faktoren zu suchen ist, die zu einer höheren Arbeitslosigkeit von Vätern und Söhnen führen.

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Von der Transformation zur europäischen Integration: Auf dem Weg zu mehr Wachstumsdynamik – ein Tagungsbericht

Gerhard Heimpold

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 2, 2016

Abstract

Unter dem Titel „Von der Transformation zur europäischen Integration: Auf dem Weg zu mehr Wachstumsdynamik“ hat das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) gemeinsam mit Partnern aus Universitäten in Mitteldeutschland am 22. Februar 2016 Forschungsergebnisse zu den Folgen des Strukturwandels, zur Erzielung von mehr Wachstums­dynamik und den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen hierfür präsentiert.

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