Von der Transformation zur europäischen Integration: Auf dem Weg zu mehr Wachstumsdynamik – ein Tagungsbericht
Unter dem Titel „Von der Transformation zur europäischen Integration: Auf dem Weg zu mehr Wachstumsdynamik“ hat das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) gemeinsam mit Partnern aus Universitäten in Mitteldeutschland am 22. Februar 2016 Forschungsergebnisse zu den Folgen des Strukturwandels, zur Erzielung von mehr Wachstumsdynamik und den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen hierfür präsentiert.
04. Mai 2016
Unter dem Titel „Von der Transformation zur europäischen Integration: Auf dem Weg zu mehr Wachstumsdynamik“ hat das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) gemeinsam mit Partnern aus Universitäten in Mitteldeutschland am 22. Februar 2016 Forschungsergebnisse zu den Folgen des Strukturwandels, zur Erzielung von mehr Wachstumsdynamik und den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen hierfür präsentiert.
Der Präsident des IWH, Professor Reint E. Gropp, Ph.D., plädierte in seinen Begrüßungsworten dafür, weniger auf die Förderkultur und mehr auf dynamische Unternehmen und die allokative Funktion der Finanzmärkte zu setzen. Wie dies gelingen kann, sollte auf der Tagung diskutiert werden.
Als Eröffnungsredner erörterte Christian Lindner, Bundesvorsitzender der FDP und Vorsitzender der FDP-Fraktion im Landtag NRW (Foto), unter dem Titel: „Mehr Unternehmertum in Deutschland – Was die Politik tun sollte“ die wirtschaftspolitische Dimension des Tagungsthemas.
Deutschland wachse weniger stark, als es angesichts der gesamtwirtschaftlichen Rahmendaten wachsen müsste. Um das zu ändern, sei ein Richtungswechsel erforderlich: Das Erwirtschaften des Wohlstands und nicht seine Verteilung müsse im Zentrum stehen. Dafür werde Flexibilität gebraucht. Der Redner forderte, die Regelungsdichte zu reduzieren und auf Wesentliches zu konzentrieren, etwa das Zusammenwirken von Handeln und Haften im Finanzsektor. Für die wirtschaftliche Belebung werde ferner eine bessere Infrastruktur benötigt, speziell im digitalen Bereich. Hier sollte die Dynamik des Wettbewerbs privatwirtschaftlicher Infrastrukturanbieter genutzt werden. Schließlich gehe es um ein besseres Investitionsklima, wofür drei Aspekte wichtig seien: Erstens dürfe es auf keinen Fall neue Subventionen geben, auch nicht für die Elektromobilität. Es gebe genügend privates Kapital. Zweitens bedürfe es marktwirtschaftlicher Strukturen im Energiesektor, und drittens dürften die Erbschaftsteuerregelungen die Unternehmensnachfolge nicht behindern.
Professor Dr. Steffen Müller, Leiter der Abteilung Strukturwandel und Produktivität am IWH und Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (OvGU), referierte zum Thema „Insolvenz junger und kleiner Betriebe – Welche Lasten tragen die Beschäftigten?“. Es zeigt sich, dass der Verdienstrückgang in diesen Betrieben kaum kleiner als bei etablierten ausfällt. Es scheint nicht gerechtfertigt, in Schwierigkeiten geratene etablierte Betriebe und deren Beschäftigte arbeitsmarktpolitisch stärker zu unterstützen als junge Betriebe und deren Beschäftigte.
Über „Wachstum, Wachstumschancen und Lebenszufriedenheit in Ost- und Westdeutschland“ trug Professor Dr. Joachim Weimann, OvGU, vor. Solle Ostdeutschland die Stagnation beim Aufholprozess überwinden, müssten dort die Wachstumsbedingungen besser sein als in Westdeutschland. Bei Betrachtung von Forschung und Entwicklung, Unternehmensagglomerationen und Humankapitalausstattung sei dies aber nicht der Fall. Daher erwartet der Referent, dass die Abstände bei Einkommen und Lebenszufriedenheit zwischen Neuen und Alten Ländern dauerhaft sein werden.
Professor Dr. Thomas Lenk, Universität Leipzig, referierte über „Länder- und Kommunalhaushalte unter dem Einfluss der demographischen Entwicklung“. Der Redner erläuterte den aktuellen Diskussionsstand zur Gestaltung der bundesstaatlichen Finanzbeziehungen (Ministerpräsidentenkonferenz am 03.12.2015) und die Herausforderungen für den kommunalen Finanzausgleich. In Kommunen mit Bevölkerungsrückgang gebe es eine sinkende Nachfrage nach öffentlichen Gütern, die Ausgaben würden jedoch nicht in gleichem Umfang abgebaut. Es träten Kostenremanenzen auf.
Zum Abschluss des Vortragsteils sprach Professor Dr. Uwe Cantner, Friedrich-Schiller-Universität Jena und zugleich Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des IWH, zum Thema „Wirksamkeit des Spitzencluster-Wettbewerbs: Befunde aus einer Evaluierung“. In den geförderten Clusterinitiativen seien Kooperationsaktivitäten gesteigert und Vernetzungen intensiviert worden. Die Förderung erhöhe die Sichtbarkeit der Regionen mit den geförderten Clustern. Bei den FuE-Ausgaben sei ein Hebeleffekt zu beobachten.
Podiumsgespräch „Von der Förderkultur zur Risikokultur?“
Den Abschluss der Tagung bildete ein Podiumsgespräch zum Thema „Von der Förderkultur zur Risikokultur?“. Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren: Professor Dr. Christoph von Einem, LL.M., ARQIS Rechtsanwälte; Professor Reint E. Gropp, Ph.D., Präsident des IWH; Marc Melzer, Deutsche Bank AG; Dipl.-Psych. Dr. Tabea Scheel, Freie Universität (FU) Berlin und Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München im Center for Leadership and People Management; Dr. Harriet Wirth, Bereichsleiterin Produktmanagement und Bereichsplanung, KfW Bankengruppe sowie Daniel Worch, Geschäftsführer Univations GmbH, Institut für Wissens- und Technologietransfer an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Regionalvertretung Sachsen-Anhalt im Bundesverband Deutsche Startups e. V. Moderiert wurde das Gespräch von James Shotter, Financial Times.
Eigentlich müssten lukrative Investitionen eine Finanzierung auch ohne Förderung finden, wurde eingangs in die Debatte geworfen. Die USA zeigten, wie es funktionieren kann: mit gut finanzierten Universitäten und einem entwickelten Risikokapitalmarkt, der auch Branchenexpertise zur Verfügung stellt. Zwar gebe es in Deutschland Förderangebote, z. B. für die Seed-Phase. Man brauche aber privates Venture-Kapital für größere Vorhaben (growth capital). Die Pensionsfonds in den USA böten solche Möglichkeiten. Kapital suchende Unternehmer müssten sich besser auf die Interessenlage der privaten Kapitalgeber einstellen. Im Interesse von mehr Ausgründungen aus Hochschulen sollten bei Berufungsverfahren auch die unternehmerischen Fähigkeiten ein Kriterium sein. Überhaupt bedürfe der Gedanke des Unternehmertums einer stärkeren Verbreitung. Ferner brauche man eine Kultur, in der offen über Fehler gesprochen wird. Dynamische Unternehmen außerhalb der Agglomerationen, etwa aus Sachsen-Anhalt, sollten den Kontakt zu Regionen mit vielen Business- Angels suchen, z. B. in Berlin, München und Frankfurt. Alles in allem: Viele Wege führen zu mehr Wachstumsdynamik.