Die Institutionalisierung von Metropolregionen: Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg von Städten? – Ein Bericht über das „5th Halle Forum on Urban Economic Growth“
Seit den 1990er Jahren wird speziell in Deutschland versucht, mit Hilfe einer verstärkten Kooperation zwischen den wichtigsten Oberzentren und den Kommunen aus deren jeweiligem Umland so genannte „Metropolregionen“ zu etablieren. Damit werden die Ziele verfolgt, die internationale Sichtbarkeit der größten deutschen Städte zu verbessern und durch eine Bündelung der in ihnen sowie ihrem Umland vorhandenen Ressourcen und Kompetenzen zu einer Erhöhung der stadtregionalen Wirtschaftsleistung beizutragen. Es stellen sich allerdings die Fragen, ob diese Ziele tatsächlich erreicht werden, welche Hürden sich bei der Zielerreichung ergeben und wie diese Hürden ggf. überwunden werden können. Diese Fragen standen im Mittelpunkt des fünften „Halle Forum on Urban Economic Growth“, das am 11. und 12. Dezember 2014 in Kooperation mit der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) – Leibniz-Forum für Raumwissenschaften am IWH durchgeführt wurde.
30. April 2015
Keine Patentrezepte für die Governance von Metropolregionen!
Mit ihrem Keynote-Vortrag zur Finanzierung und Governance großer Metropolregionen eröffnete Professorin Enid Slack von der Universität Toronto die Tagung. Sie unterstrich die Bedeutung des für eine Stadtregion jeweils gewählten Systems der Governance für die stadtregionale Wirtschaftsleistung. Bei einer weltweiten Betrachtung von Metropolregionen ließen sich fünf real existierende Governance-Modelle unterscheiden: das fragmentierte einstufige Modell, das konsolidierte einstufige Modell, das zweistufige Modell, das Modell der Stadtstaaten und jenes der urbanen Sonderzweckverbände. Jedes Modell weise spezifische Vor- und Nachteile auf, die allerdings auch vom jeweiligen lokalen und nationalen Kontext abhängig wären. In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass es bislang keine abschließende Antwort auf die Frage nach der optimalen Anzahl von Governance-Ebenen für großstädtische Regionen gibt. Eine zu hohe Anzahl würde zur Intransparenz und damit tendenziell zur Ineffizienz der Verwaltungen beitragen.
Die weiteren Vorträge am ersten Veranstaltungstag beleuchteten wesentliche Detailaspekte von Metropolregionen. Corinna Porsche von der Technischen Universität Dortmund verglich die Effekte von zwei deutschen Metropolregionen mit jeweils unterschiedlich „hart“ institutionalisierter regionaler Governance hinsichtlich ihrer Effekte für die Versorgung der privaten Wirtschaft mit Fachkräften. Dr. Artur Ochojski von der Wirtschaftsuniversität Kattowitz diskutierte die Möglichkeiten der Institutionalisierung von Metropolregionen am Beispiel Oberschlesiens. Bianca Mitrică (Geographisches Institut der Rumänischen Akademie, Bukarest) befasste sich in ihrem Vortrag mit der räumlichen Abgrenzung von Metropolregionen am Beispiel von Bukarest. Schließlich stellte Silvia Rucinska, Ph.D., von der Pavol Jozef Šafárik Universität in Košice eine Untersuchung zu den Potenzialen für die Formierung von Metropolregionen in der Slowakei vor.
Am Abend des ersten Veranstaltungstags fand als Policy Session zum Kernthema der Tagung eine Podiumsdiskussion statt, an der Professor Hans-Heinrich Blotevogel (Universität Wien), Dr. Thomas Brockmeier (Hauptgeschäftsführer der IHK Halle-Dessau), Professorin Enid Slack und Reinhard Wölpert (Geschäftsführer der Metropolregion Mitteldeutschland) teilnahmen. Moderator war Jörg Biallas, Chefredakteur von „Das Parlament“. Insgesamt gesehen zeigte sich eine kritische, wenngleich tendenziell positive Einschätzung der wirtschaftlichen Potenziale von Metropolregionen. Einerseits wurde betont, dass sich bislang für keine Region nachweisen lasse, dass sich Unternehmen aufgrund des Vorhandenseins des institutionellen Ge-flechts einer Metropolregion angesiedelt hätten. Andererseits gab es allgemeine Zustimmung zur Auffassung, dass in wirtschaftlich eng verflochtenen Regionen eine Abstimmung zwischen den Kommunen in Aktionsfeldern wie Standortmarketing oder Tourismuswerbung von Vorteil wäre. Hinsichtlich der Wahl des „richtigen“ Governance-Systems bestehe ein erheblicher Forschungsbedarf.
Wissen, Gründungsklima, Diversität, Events und „Resilienz“ – Was bestimmt den wirtschaftlichen Erfolg von Städten?
Am zweiten Tag wurden wesentliche Zukunftsfragen der Stadtentwicklung diskutiert. Der Keynote-Vortrag von Professor Charlie Karlsson, Jönköping International Business School, zugleich Research Professor am IWH, befasste sich mit den Mechanismen der Wissensübertragung innerhalb urbaner Milieus. In Anbetracht der Bedeutung von Wissen für die Stadtentwicklung unterstrich Karlsson die Notwendigkeit, die von ihm erläuterten Mechanismen mit geeigneten politischen Maßnahmen zu fördern. Professor Eberhard von Einem vom Center for Metropolitan Studies an der TU Berlin illustrierte vergleichbare Mechanismen am Beispiel der Wissensübertragung durch Re-Migranten aus Deutschland in der Stadt Istanbul. Für eine wirtschaftlich erfolgreiche Stadtentwicklung muss Wissen kombiniert werden mit der Fähigkeit, Unternehmen zu gründen und zu führen. Dr. Michael Wyrwich von der Friedrich-Schiller-Universität Jena stellte ein von ihm gemeinsam mit Professor Michael Fritsch erarbeitetes Papier vor, in dem gezeigt wurde, dass die „Unternehmenskultur“ in einer Region kurzfristig nicht verändert werden könne, sondern als gegeben anzusehen sei. Ifigeneia Kokkali vom Politecnico di Milano erläuterte die Effekte von Diversität auf die Stadtentwicklung, wobei sie hierzu – im Gegensatz zu verschiedenen vorliegenden Studien – eine „desillusionierende“ Position einnahm. Von Seiten der Städte wird vielfach versucht, die eigene wirtschaftliche Entwicklung mit Hilfe großer „Events“ voranzubringen. Jérôme Massiani, Ph.D. (Università Ca’ Foscari di Venezia), stellte die erwarteten Effekte solcher Events am Beispiel der Expo 2015 in Mailand vor; aus seiner Sicht sind die Effekte deutlich geringer, als dies von offizieller Seite angegeben wird. Dr. Thilo Lang vom Leibniz-Institut für Länderkunde in Leipzig stellte Untersuchungen zur Frage vor, wie sich Städte an soziale und ökonomische Krisen anpassen und zu einem Zustand der „Resilienz“ gelangen könnten. René Kreichauf (Technische Universität Wien) schließlich verglich die Bemühungen von zwei bekannten schrumpfenden Städten (Detroit und Bitterfeld), aus der Schrumpfung heraus neue Impulse für wirtschaftliches Wachstum zu setzen.
Die Veranstaltung wurde abgerundet durch zwei methodisch orientierte Vorträge. Dr. Albrecht Kauffmann vom IWH stellte eine von ihm entwickelte Vorgehensweise vor, mit der zwischen Bevölkerungs- und Flächenwachstum von Städten unterschieden werden kann. Am Beispiel der ostdeutschen Städte machte er deutlich, dass die Angaben der amtlichen Statistik zum Bevölkerungsstand zum jeweiligen Gebietsstand zu Fehlinterpretationen verleiten können, wenn ein Vergleich mit der Entwicklung in konstanten Grenzen unterbleibt. Um Aussagen über die Wirksamkeit diverser Wachstumsfaktoren machen zu können, ist ein solcher Vergleich zwingend erforderlich. Angelika Krehl vom Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung (ILS) in Dortmund erläuterte, wie sich mit Hilfe von Daten zur städtischen Bebauung Rückschlüsse auf die lokale Verteilung von Beschäftigten ziehen lassen.