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Konjunktur aktuell: Deutsche Wirtschaft weiter von Konsum und Bau beflügelt

Die deutsche Konjunktur bleibt aufgrund der starken Binnennachfrage recht kräftig. Im Jahr 2017 wird die Zuwachsrate des Bruttoinlandsprodukts nach der neuen IWH-Prognose 1,3% betragen. Sie fällt damit etwa einen halben Prozentpunkt geringer aus als im Jahr 2016, dies liegt an einer geringeren Anzahl an Arbeitstagen und an einem negativen Wachstumsbeitrag des Außenhandels. Die Verbraucherpreisinflation bleibt mit 1,3% mäßig. Die Arbeitslosigkeit nimmt wohl etwas zu, dazu trägt bei, dass die Integration Geflüchteter in den Arbeitsmarkt langwierig ist.

11. Januar 2017

Autoren Arbeitskreis Konjunktur des IWH

Internationale Konjunktur

Im Sommer und im Herbst 2016 kam es zu zwei wichtigen Wahlentscheidungen, mit denen im Vorfeld nicht viele gerechnet hatten: Im Juni entschieden sich die Briten für einen Austritt ihres Landes aus der Europäischen Union, und im November gewann ein erklärter Gegner des Freihandels die Präsidentschaftswahlen in den USA. Beide Entscheidungen haben das Potenzial, die internationalen Wirtschaftsbeziehungen auf kurz oder lang zu beeinträchtigen. Gleichwohl hat sich die zuvor recht schwache Weltkonjunktur im Herbst belebt. In den USA expandierte die Produktion im dritten Quartal zum ersten Mal seit einem Jahr wieder schneller als im Trend, und in Japan ließen steigende Exporte das Bruttoinlandsprodukt beschleunigt steigen. In China hat die Produktion, gestützt durch hohe öffentliche Infrastrukturinvestitionen und einen kräftigen privaten Verbrauch, nun schon vier Quartale hintereinander mit den von der Regierung anvisierten Jahresraten zwischen 6,5% und 7% zugelegt. Dank wieder gestiegener Rohstoffpreise dürfte die russische Wirtschaft seit dem Sommer nicht mehr schrumpfen. Die Rezession in Brasilien hält allerdings vorerst an. Erstaunlich robust ist die Konjunktur in Großbritannien, wo die Produktion auch im ersten Quartal nach dem Brexit-Entscheid mit auf Jahresrate hochgerechneten 2% und damit ungefähr so rasch wie im Trend der vergangenen Jahre expandiert. Die Wirtschaft des Euroraums ist mit einem annualisierten Zuwachs von knapp 1½% weiter auf einem zögerlichen Erholungskurs. Der weltweite Handel mit Waren, der im ersten Halbjahr 2016 sogar leicht zurückgegangen war, ist im dritten Quartal wieder gestiegen, mit auf Jahresrate hochgerechneten knapp 2% allerdings wohl langsamer als die Weltproduktion. Schließlich sprechen die Preise auf den Energie- und Rohstoffmärkten für eine etwas kräftigere realwirtschaftliche Aktivität: Sie sind im Jahresverlauf moderat gestiegen und damit zum ersten Mal über einen längeren Zeitraum seit dem Jahr 2011. ...

Europäische Union

Das moderate Tempo der gesamtwirtschaftlichen Expansion im Euroraum hat sich im dritten Quartal fortgesetzt. Das reale Bruttoinlandsprodukt nahm um 0,3% zu. Hoch war erneut die Dynamik in den Niederlanden und in Spanien, aber auch aus Frankreich und in Italien kamen nach einer Stagnation im Sommer wieder positive Impulse. Besonders stark wurde mit jeweils 0,8% die Produktion in den von der Schuldenkrise betroffenen Ländern Portugal und Griechenland ausgeweitet. Getragen wurde die Expansion im Euroraum von den privaten und öffentlichen Konsumausgaben, die mit Zuwachsraten von 0,3% bzw. 0,5% zunahmen. Hingegen wurden die Investitionsausgaben in einem deutlich geringeren Maße erhöht als noch in den Monaten zuvor. Vom Außenhandel kamen bei nahezu stagnierenden Exporten und geringfügig ausgeweiteten Importen leicht dämpfende Impulse.

Wegen des wieder etwas höheren Ölpreises und des entfallenen Basiseffekts vom vorangegangen starken Rückgang hat die Steigerungsrate der Verbraucherpreise in den vergangenen Monaten kontinuierlich zugenommen und betrug im November 0,6%. Das um Energie und Nahrungsmittel bereinigte Maß der Kerninflation liegt hingegen seit dem Sommer bei 0,8% und deutet auf eine weiterhin nur geringe Auslastung der Produktionskapazitäten hin. Allerdings sind die Produzentenpreise im Verarbeitenden Gewerbe im Oktober deutlich gestiegen; auf Jahressicht sanken sie nach 1,5% im September nur noch um 0,4% und damit so wenig wie seit über drei Jahren nicht mehr. Auch die jüngste Abwertung des Euro – seit Anfang Oktober nominaleffektiv um knapp 3% – dürfte in den kommenden Monaten den Druck auf die Preise weiter erhöhen.

Der seit dreieinhalb Jahren andauernde Rückgang der Arbeitslosigkeit setzte sich im Verlauf des Jahres 2016 fort. So sank die Arbeitslosenquote im Oktober auf 9,8%, den niedrigsten Wert seit dem Sommer 2009. Auf Jahressicht ist der Anteil der Arbeitslosen an den Erwerbspersonen in allen großen Volkswirtschaften außer Italien gesunken. Dies trifft jetzt auch auf Frankreich zu. Auch der Beschäftigungsaufbau im Euroraum zeigt sich robust. Seit sechs Quartalen nimmt die Zahl der Erwerbstätigen jeweils mit knapp 0,4% zu. ...

Deutsche Konjunktur

Das Bruttoinlandsprodukt expandierte im dritten Quartal 2016 mit einer Rate von 0,2% und damit weniger kräftig als noch in den ersten beiden Quartalen des Jahres. Die Antriebskräfte der Konjunktur haben sich dabei weiter vom Ausland auf das Inland verlagert. Die Impulse kamen hauptsächlich vom privaten und staatlichen Konsum sowie von den Bauinvestitionen. Die Exporte, die in den Quartalen zuvor noch positive Beiträge zur wirtschaftlichen Entwicklung leisteten, sind im Herbst sogar gesunken, und die Unternehmen hielten sich mit Investitionen zurück.

Die deutsche Wirtschaft dürfte den Tempoverlust vom Herbst allerdings schnell wieder aufgeholt haben. Nach dem IWH-Flash-Indikator hat sie im Schlussquartal 2016 mit einem Zuwachs von 0,5% überdurchschnittlich zugenommen. Die Indikatoren für das Verarbeitende Gewerbe signalisieren derzeit eine überwiegend günstige Lage: Die Industrieproduktion im Oktober liegt – wenn auch nur geringfügig – über dem Vorquartalsniveau. Deutlich aufwärtsgerichtet ist dabei die Produktion von Vorleistungsgütern, ein für die Industrieproduktion insgesamt vorlaufender Indikator. Außerdem sind die Auftragseingänge für Industriegüter ohne Großaufträge seit zwei Monaten wieder aufwärtsgerichtet. Auch der Markit/BME-Einkaufsmanager-Index (EMI) und das ifo Geschäftsklima in der gewerblichen Wirtschaft halten sich trotz leichter Verluste im November auf hohem Niveau. Auch die Weltwirtschaft hat sich im Herbst belebt; so haben zuletzt insbesondere die Bestellungen aus dem Ausland wieder zugelegt. Im Einzelhandel, wo die Stimmung in den vergangenen Monaten etwas labil war, stiegen sowohl die Umsätze als auch das Geschäftsklima zuletzt wieder. Entscheidend dürfte hierfür sein, dass sich der Arbeitsmarkt nach wie vor in einer guten Verfassung zeigt und die verfügbaren Einkommen steigen. Auch die Bauproduktion ist nach einem schwächeren Sommerhalbjahr wieder auf ihren Wachstumspfad zurückgekehrt. ...

Außerdem in diesem Heft

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IWH-Konjunkturbarometer Ostdeutschland: Produktion schwenkt nach Dämpfer wieder auf Expansionspfad ein

Franziska Exß Udo Ludwig

in: Konjunktur aktuell, Nr. 4, 2016

Abstract

Das Bruttoinlandsprodukt der ostdeutschen Flächenländer ist im ersten Halbjahr 2016 gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum laut Meldung der amtlichen Statistik mit 2,3% überraschend stark und im Gleichschritt mit dem früheren Bundesgebiet (einschließlich Berlin) gestiegen.

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Die mittelfristige wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland für die Jahre 2016 bis 2021

Hans-Ulrich Brautzsch Katja Heinisch Oliver Holtemöller Brigitte Loose Matthias Wieschemeyer Götz Zeddies

in: Konjunktur aktuell, Nr. 4, 2016

Abstract

Nach der Mittelfristprojektion des IWH dürfte das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland in den Jahren von 2016 bis 2021 um durchschnittlich 1½% wachsen; das nominale Bruttoinlandsprodukt wird wohl um durchschnittlich 3% zunehmen. Nach einer leichten Überauslastung der Kapazitäten in den Jahren 2016 und 2017 dürfte sich die Produktionslücke mittelfristig schließen. Aufgrund des mittelfristig kaum anziehenden Wachstums im Euroraum und des im Vergleich zum langfristigen Mittel schwachen Welthandels dürften vom Außenhandel in der mittleren Frist kaum Impulse ausgehen; die konjunkturelle Dynamik wird daher nach wie vor maßgeblich von der Inlands¬nachfrage bestimmt. Die Verbraucherpreise ziehen im Prognosezeitraum etwas an.

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Wirtschaftliche Aussichten Ostdeutschlands für 2017

Hans-Ulrich Brautzsch Brigitte Loose Udo Ludwig

in: Konjunktur aktuell, Nr. 4, 2016

Abstract

In Ostdeutschland (einschließlich Berlin) hat das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2016 in etwa so stark zugenommen wie im Westteil der Republik. Der Wachstumsvorsprung der Region in den beiden vorangegangenen Jahren ist damit geschmolzen. Die Nachfrageimpulse der privaten und der öffentlichen Haushalte nach Konsumgütern sowie nach Wohnimmobilien und Bauten in die Infrastruktur haben die Produktion im Jahr 2016 in den meisten Wirtschaftsbereichen angeregt, allerdings mit unterschiedlicher Intensität. 

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