Die Analyse kausaler Effekte wirtschaftspolitischer Maßnahmen – Das Zentrum für evidenzbasierte Politikberatung am IWH (IWH-CEP)
In Deutschland besteht ein enormer Bedarf an evidenzbasierter Politikberatung. Viele wirtschaftspolitische Interventionen werden bislang nicht umfassend evaluiert, und falls doch, wenden die wenigsten Untersuchungen geeignete Verfahren der Kausalanalyse an, um einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Intervention und dem Erreichen von wirtschaftspolitischen Zielen zu identifizieren. Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle hat für diese Aufgabe das Zentrum für evidenzbasierte Politikberatung (IWH-CEP) eingerichtet. Eine Pilotstudie zu den Wirkungen der betrieblichen Investitionsförderung ist bereits angelaufen.
09. November 2015
Inhalt
Seite 1
Zur Notwendigkeit evidenzbasierter EvaluierungenSeite 2
Das IWH-CEP – Plattform für die Wirkungsanalyse wirtschaftspolitischer MaßnahmenSeite 3
Evaluationsdesigns für die betriebliche und die regionale Analyseebene Auf einer Seite lesenZur Notwendigkeit evidenzbasierter Evaluierungen
Bislang beinhalten die meisten „Evaluationen“ wirtschaftspolitischer Maßnahmen eine reine Vollzugskontrolle. Dabei wird lediglich geprüft, ob die Maßnahmen nach den vorgegebenen Regeln durchgeführt worden sind. Die Herstellung eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen einer wirtschaftspolitischen Maßnahme und dem gewünschten Ziel können bloße Vollzugskontrollen allerdings nicht leisten. Es ist daher wichtig und richtig, dass die deutschen Ökonominnen und Ökonomen der Überprüfung der Effektivität und Effizienz von (wirtschafts-)politischen Interventionen jüngst eine verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet haben.
Wirtschaftsprozesse folgen komplexen Abläufen, die sich selten präzise vorhersagen lassen. Die Implementierung von wirtschaftspolitischen Eingriffen kann daher nur nach dem Trial-and-Error-Verfahren funktionieren. In Deutschland finden sich sowohl im Grundgesetz als auch im Haushaltsrecht Formulierungen, mit denen die Politik angehalten wird, kontinuierlich und möglichst realitätsnah zu überprüfen, ob ein „Error“ vorliegt. Wissenschaftliche Methoden können hierzu einen wichtigen Beitrag leisten.
Wirkungsanalysen sollen eine Verbindung zwischen den staatlichen Interventionen und vorgegebenen Zielen herstellen. Die Grundidee moderner empirischer Verfahren der Wirkungsanalyse ist die Schaffung einer „kontrafaktischen Situation“: Es wird dabei die Frage gestellt: Was wäre geschehen, wenn es die staatliche Intervention nicht gegeben hätte? Der Unterschied zwischen tatsächlicher und kontrafaktischer Situation ist der Effekt der staatlichen Intervention. Um die kontrafaktische Situation herzustellen, werden geeignete Untersuchungsdesigns (z. B. natürliche Experimente) oder ökonometrisch-statistische Verfahren angewendet.
Das IWH-CEP – Plattform für die Wirkungsanalyse wirtschaftspolitischer Maßnahmen
Am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) wurde im Jahr 2014 das Zentrum für evidenzbasierte Politikberatung (IWH-CEP) gegründet. Es handelt sich hierbei um eine Plattform, die Aktivitäten in Forschung, Lehre und Politikberatung mit dem Ziel bündelt, bessere Grundlagen für eine kausale Analyse wirtschaftspolitischer Maßnahmen in Deutschland zu schaffen. Das IWH-CEP ist als Serviceeinheit konzipiert und unterstützt die Forschungsgruppen des IWH, indem es den Zugang zu einem überregionalen Forschungs- und Politikberatungsnetzwerk sowie zu Datensätzen für Kausalanalysen bereitstellt.
Das IWH-CEP liegt an der Schnittstelle zwischen drei Aufgabenbereichen und nimmt Koordinierungsfunktionen zwischen diesen wahr (vgl. Abbildung 1).
Die wohl größte Herausforderung besteht aktuell darin, eine solide Datenbasis aufzubauen, ohne die eine glaubwürdige Wirkungsanalyse nicht möglich ist. Hier konzentrieren sich die Arbeiten am IWH-CEP darauf, administrative Daten zur Förderung von Unternehmen zu erschließen, aufzubereiten und in Datenbanken zu archivieren und zu pflegen.
Die betriebliche Förderpolitik in Deutschland ist sehr fragmentiert, was u. a. auf die Verteilung der Kompetenzen in einem föderalen Bundesstaat zurückgeht. Bislang gibt es für Deutschland keine Übersicht (geschweige denn eine Datenbank), die betriebliche Förderpolitiken insgesamt systematisiert.
Für die Zuweisung der Fördermittel an die begünstigten Unternehmen stehen grundsätzlich drei Förderarten zur Verfügung: Zulagen, Zuschüsse und Darlehen. Innerhalb der einzelnen Förderarten und Fördergegenstände besteht eine große Vielfalt. Zuschüsse im Rahmen der Innovationsförderung beispielsweise können über Programme der EU, des Bundes und der Länder beantragt werden. Oft werden von verschiedenen Ressorts ähnliche Programme angeboten. Die Länder kofinanzieren ihre Programme oft noch aus Mitteln der EU-Strukturfonds.
Zur Analyse der Wirkungen betrieblicher Innovationsförderung wird am IWH-CEP die IWH-FuE-Mikrodatenbank aufgebaut (FuE = Forschung und Entwicklung). Die Datenbank umfasst zurzeit acht Datensätze verschiedener Programme der direkten FuE-Projektförderung des Bundes, der Länder und der Europäischen Union (EU). Da die Datensätze durch unterschiedliche Institutionen bereitgestellt werden, sind weder die Variablennamen und -formate noch die Namen der Akteure eindeutig erfasst. Am IWH-CEP werden die verschiedenen Förderdatensätze zusammengeführt und unter Anwendung aufwendiger Record-Linkage-Prozeduren harmonisiert.