Vererbung von Arbeitslosigkeit: Wie der Vater, so der Sohn?
Jugendarbeitslosigkeit und mangelnde Chancen sozialen Aufstiegs gehören zu den wichtigsten sozialpolitischen Herausforderungen in vielen Ländern. Die Probleme erweisen sich als so hartnäckig, dass die These naheliegt, sie würden innerhalb der Familien „vererbt“. Eine Studie des IWH und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat jetzt erstmals für Deutschland untersucht, wie lange junge Männer, die als Kinder einen zeitweise arbeitslosen Vater hatten, später selbst arbeitslos gewesen sind. Zudem wurde geprüft, ob die Ursache für die Arbeitslosigkeit der Söhne in der Arbeitslosigkeit der Väter selbst oder in gemeinsamen familiären Faktoren zu suchen ist, die zu einer höheren Arbeitslosigkeit von Vätern und Söhnen führen.
04. Mai 2016
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Die Arbeitslosenquote für JugendlicheSeite 2
Söhne arbeitsloser Väter sind häufiger selbst arbeitslos – entscheidend ist der Familienhintergrund Auf einer Seite lesenDie Arbeitslosenquote für Jugendliche liegt im EU-Durchschnitt bei etwa 20% und in vielen europäischen Ländern noch deutlich darüber. Jugendarbeitslosigkeit kann zu Perspektivlosigkeit, sozialen Spannungen und Migration führen. Auch über den Tag hinaus kann sie langfristige Narben in den Erwerbsbiographien hinterlassen und ökonomische und soziale Ungleichheiten zementieren. Wissenschaftliche Erkenntnisse über die Ursachen von Jugendarbeitslosigkeit sind daher von hoher politischer Relevanz. Von besonderer Bedeutung ist, ob Jugendarbeitslosigkeit reduziert werden kann, indem väterliche Arbeitslosigkeit bekämpft wird, oder ob politische Maßnahmen eher bei den Jugendlichen selbst ansetzen sollten.
Familienhintergrund oder kausaler Effekt?
Dieser Beitrag untersucht, ob Jugendarbeitslosigkeit von früherer Arbeitslosigkeit des Vaters abhängt. Ein leitender Gedanke der Analyse ist, dass ein Zusammenhang zwischen der Arbeitslosigkeitserfahrung von Vater und Sohn verschiedene Gründe haben kann. Zum einen teilen Eltern und Kinder zahlreiche beobachtbare und unbeobachtbare Merkmale, und zum anderen kann väterliche Arbeitslosigkeit die Arbeitslosigkeit des Sohnes unabhängig von gemeinsamen Merkmalen kausal verursachen.
Wichtig für die Beschäftigungschancen sind zum einen beobachtbare Charakteristika wie Bildungsabschlüsse, Berufswahl, Wohnort oder soziale Kontakte. In diesen Merkmalen sind sich die Mitglieder einer Familie ähnlich, sie werden quasi über die Generationen hinweg vererbt (intergenerationale Korrelation). Dasselbe gilt auch für meist nicht beobachtbare Merkmale wie Einstellungen, Fähigkeiten oder Motivation. Zum anderen sind mögliche kausale Effekte väterlicher Arbeitslosigkeit auf Jugendarbeitslosigkeit der Söhne von besonderem Interesse. Diese können zum Beispiel durch Spannungen innerhalb der Familie, eine Reduzierung der Stigmatisierung von Arbeitslosigkeit oder durch Einkommensverluste und damit einhergehende verringerte Möglichkeiten für Bildungsinvestitionen entstehen. Andererseits ist denkbar, dass väterliche Arbeitslosigkeit die Chancen des Sohnes verbessert, etwa weil der Vater durch den Zugewinn an Freizeit dem Sohn mehr Zeit widmen kann oder weil die Familie den Wert von Bildung und Ausbildung aufgrund der Arbeitslosigkeitserfahrung höher schätzt. Die Richtung des kausalen Effekts ist somit a priori unklar.
Die Unterscheidung zwischen der durch gemeinsame Merkmale hervorgerufenen intergenerationalen Korrelation von Arbeitslosigkeit und dem kausalen Effekt ist bedeutsam, da beides unterschiedliche Politikmaßnahmen zur Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit impliziert. Die internationale Literatur zu diesem Thema zeigt eine starke intergenerationale Korrelation von Arbeitslosigkeit für Großbritannien, Norwegen, Kanada und Schweden, aber keine eindeutigen Hinweise auf einen kausalen Effekt. Für Deutschland existiert keine direkte Evidenz zu diesem Thema, allerdings sind Jugendliche beim Übergang zwischen Berufsausbildung und Beschäftigung länger arbeitslos, wenn der Vater arbeitslos ist.
Die hier vorgestellte Studie nutzt das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) der Jahre 1984 bis 2012. Sie untersucht Arbeitslosigkeit von jungen Männern im Alter zwischen 17 und 24 Jahren und definiert väterliche Arbeitslosigkeit als offiziell registrierte Arbeitslosigkeit in dem Zeitraum, in dem der Sohn zwischen zehn und 15 Jahre alt war. Um die Söhne arbeitsloser und beschäftigter Väter vergleichbarer zu machen, berücksichtigen wir die Effekte beobachtbarer Merkmale wie beispielsweise Schulabschluss, Alter und Geschwisterzahl (Kontrollvariablen). Einen Überblick über die verwendeten Kausalmethoden gibt der Methodenkasten.